„Selbst gute Vergabestellen brauchen Beratung“
- 24.03.2014
- Markt + Service
- red.
Nicht selten werden wirtschaftliche Notwendigkeiten missachtet oder Steuergelder nicht sorgsam genug eingesetzt. Da werden dann schon mal vergabe- und haushaltsrechtliche Vorgaben sträflich missachtet. Beispiele gibt leider genug. Oberster Grundsatz für öffentliche Beschaffungen ist immer noch das Prinzip der Wirtschaftlichkeit. Und das gilt schon seit 1936! Deshalb darf bei einer Wertung auch nicht missachtet werden, dass neben dem Preis weitere Aspekte zu berücksichtigen sind, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit, Umweltfreundlichkeit, Rentabilität oder Lebenszykluskosten.
Eine kürzlich veröffentliche Studie des Instituts für den öffentlichen Sektor e.V. hat gezeigt, dass durch die öffentliche Hand Einsparungen in Milliardenhöhe erzielt werden können, wenn sie ihre Beschaffungspotenziale richtig nutzen würden. Dazu gehört natürlich, dass neben der ausschließlichen Fixierung auf den Preis auch der tatsächliche Mehrwert der benötigten Produkte im Vordergrund stehen sollte. Diesbezüglich sind die Vergabestellen jedoch oftmals bei den entsprechenden Bedarfsplanungen nicht eingebunden, sondern lediglich als Erfüllungsgehilfe degradiert. Wirtschaftlichkeit, Innovationen und Kreativität können somit da schnell auf der Strecke bleiben. In diesem Zusammenhang ist es jedoch zwingend erforderlich, dass einmal auf die Situation in den Vergabestellen hingewiesen wird. Durch die neuen Vorgaben in der maßgeblichen „Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen“ (VOL/A) ist es noch schwieriger geworden. Demnach sind Aufträge „zu angemessenen Preisen“ zu vergeben. Das hört sich so einfach an.
Dazu muss man die Vorgaben der in 2009 abgelösten Vergabevorschrift kennen. Demnach waren Leistungen unter der ausschließlichen Verantwortung der Vergabestellen zu vergeben. Eine ausschließliche Verantwortung ist bekannterweise nicht teilbar. Es liegt damit auf der Hand, dass ein nicht unerhebliches Konfliktpotenzial besteht. In jeder Behörde gibt es genügend Mitarbeiter, die bei Beschaffungen mitreden wollen und auch alles besser wissen. Die ausschließliche Verantwortung der Vergabestelle wurde ja (leider) ersatzlos gestrichen.
Hilfreich wäre es natürlich, wenn die Vergabestellen bei durchzuführenden Beschaffungsmaßnahmen sattelfest wären, über das notwendige Fachwissen verfügen und außerdem noch das erforderliche Know-how und Hintergrundwissen haben. Da wäre es sicher von Vorteil, wenn man ein Studium als Jurist, Chemiker, Umweltexperte, Betriebswirt oder Ergonomieexperte absolviert hat. Aber wer hat das schon? Ansonsten ist es schwer, wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen. Dabei ist es unbedingt wieder einmal an der Zeit, eine Lanze für die Mitarbeiter in den Vergabestellen zu brechen. Sie haben es schwer genug, um die vergaberechtlichen Vorgaben rechtssicher zu beachten und anzuwenden. Da kann man sich recht schnell in einem Nachprüfungsverfahren wiederfinden. Zuschlagskriterien wie Lebenszykluskosten oder Rentabilitätsberechnungen können ebenfalls nicht ohne entsprechendes Fachwissen berücksichtigt werden. Ohne Unterstützung wird es richtig schwer. Aber danach kann man im öffentlichen Bereich lange suchen. Es fängt damit an, dass für neue Mitarbeiter im Vergabebereich oftmals keine Einstiegsqualifizierungen angeboten, vorgegeben oder vorgeschrieben sind. Von einem „VOL-Führerschein“ ganz zu schweigen. Das ist mehr als verwunderlich, da diese Mitarbeiter doch in einem milliardenschweren Beschaffungsbereich, der auch noch durch Steuergelder finanziert wird, wirtschaftlich tätig sein sollen. Bei der vorhandenen Regelungsdichte in Deutschland ist das nicht nachvollziehbar.
Aber welche Voraussetzungen/Schulungen vorliegen müssen, um Beschaffungsmaßnahmen wirtschaftlich durchführen zu können, damit hält man sich zurück. Einen entsprechenden Ausbildungsgang gibt es ohnehin nicht. Manche Mitarbeiter in einer Vergabestelle sind auf diesen Dienstposten ohnehin wie die „Jungfrau zum Kind“ gekommen. Und nun beginnt der Leidensweg. Dazu muss man wissen, dass die Arbeit der Vergabestellen oftmals von den Kollegen und selbst von den Vorgesetzten als gering eingeschätzt wird. Eine verbreitete Meinung ist, dass da ohnehin nur Kugelschreiber und Papierhandtücher beschafft werden. Dafür braucht man auch kein gesondertes Fachwissen. Man kann sich ganz schön täuschen, wie die Erstellung einer eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung unterstreicht. Ohne entsprechendes Hintergrundwissen kommt man nämlich ganz schnell an seine Grenzen und fehlerhafte Ausschreibungen gibt es (leider) genug.
Was kann ein Mitarbeiter nun tun, der ohne fehlende Unterstützung und Fortbildung ins „kalte Wasser“ geworfen wurde. Selbsthilfe ist angesagt. Optimal wäre natürlich der Besuch von theoretischen und praxisbezogenen Schulungsmaßnahmen. Ein paar Stunden reichen da aber nicht. Jetzt zeigen sich jedoch schon die ersten Schwierigkeiten. Seitens der genehmigenden Stellen werden Dienstreisen nicht so gerne gesehen. Da wird dann nicht selten die Notwendigkeit in Frage gestellt, oder der Seminarort ist zu weit, die Maßnahmedauer zu lang oder die Kosten zu hoch. Der Nutzen entsprechender Maßnahmen wird selten hinterfragt und gerät in der Regel in den Hintergrund. Im Einkauf liegt der Gewinn, zählt hier vielfach nicht. Ganz schwierig und fast unmöglich ist die Beantragung von Werks-, Betriebs- oder Messebesuchen. Neben den bekannten Argumenten kommt dann auch noch die (angebliche) Korruptionsproblematik ins Spiel. Aber woher soll das Fachwissen denn kommen? Ohne eine vielfältige, ehrliche Unterstützung wird ein Mitarbeiter einer Vergabestelle oft auf verlorenen Posten stehen. Viele Ausschreibungen sprechen hier eine deutliche Sprache. Davon kann manch einer der Bieter sicher ein Lied singen. Aber wie immer gibt es doch noch einen Lichtblick. Unternehmen dürfen die Auftraggeber neuerdings vor Einleitung des Vergabeverfahrens beraten und unter bestimmten Voraussetzungen dann auch noch am Wettbewerb teilnehmen. Nach der alten Vergabevorschrift war dieses untersagt. Wer hatte da überhaupt Lust, eine Vergabestelle zu beraten?