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Verführen mit Verstand

Der Fachhandel kommt nicht mehr ohne Zusatzsortimente aus – das zeigt eine aktuelle Studie der Messe Frankfurt. Doch es gehört viel Fingerspitzengefühl dazu, das Angebot auf die eigenen Kunden abzustimmen. Wir sprachen mit IFH-Consultant Thomas Brylla.

Thomas Brylla, Institut für Handelsforschung
Thomas Brylla, Institut für Handelsforschung

Gerade in der Vorweihnachtszeit richtet sich der Blick verstärkt auf die eigenen vier Wände und die Frage, wie man anderen eine Freude bereiten kann. Viele Verbraucher machen sich Gedanken wie: Was schenke ich in diesem Jahr den Lieben, der Familie und den Freunden? Was serviere ich den Gästen? Wie dekoriere ich festlich Haus, Wohnung und Tafel? Unzählige Anregungen dazu waren auf den Sommermessen zu finden.

Viele Angebote, gerade in den Bereichen Genuss und Tischkultur, sind speziell auf die Herbst-und Wintersaison ausgerichtet. „Gerade in den Wochen vor Weihnachten können Händler mit clever gewählten Zusatzsortimenten spürbare Umsatzsteigerungen generieren. Das ist die Zeit, wenn Verbraucher Inspiration suchen und bereit sind, spontan Geld auszugeben“, ist Nicolette Naumann, Vice President Ambiente/Tendence, überzeugt. Dem zur Tendence 2012 erschienenen Management Report „So schenkt Deutschland“ zufolge sind die Deutschen zu Weihnachten mit Abstand am großzügigsten, wenn es ums Schenken geht. Das Weihnachtsfest rangiert damit an der Spitze aller Schenkanlässe.

Herr Brylla, die aktuelle Studie der Messe Frankfurt „Attraktive Extras – Erfolgreich durch Zusatzsortimente“ zeigt, dass Angebote jenseits des Kernsortiments für den Fachhandel immer wichtiger werden. Wo sehen Sie die wesentlichen Gründe dafür?

Der Verbraucher wird mit passenden Wareninszenierungen und der Schaffung von Wohlfühlatmosphäre zum Kauf angeregt. Oftmals sind es die Zusatzsortimente, die den Endverbraucher emotional einfangen und letztlich auch zum Kauf verführen. Außerdem können ergänzende Sortimente zum Teil sinkende Umsätze des Kernsortiments abfangen, so dass diese teilweise eine wichtige Rolle in der betriebswirtschaftlichen Betrachtung spielen.

Welche Chancen bieten sich damit gerade für den stationären Handel?

Beispielsweise sind 36 Prozent der Glas/Porzellan/Keramik-Händler und 30 Prozent der Möbelhändler der Meinung, dass den ergänzenden Sortimenten künftig eine noch höhere Bedeutung in ihrem Unternehmen zukommen wird. Dies ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass beispielsweise im Glas/Porzellan/Keramik-Fachhandel der Anteil am Umsatz durch Zusatzsortimente von 2000 bis 2012 von sechs auf rund 20 Prozent angestiegen ist. Zurückzuführen ist dies unter anderem auf die höhere Flächenproduktivität gegenüber dem Kernsortiment, aber auch der Kundenbindungsgedanke und steigende Frequenzen bieten dem stationären Handel lukrative Anreize. Im Möbelhandel wird heute längst vom reinen Möbelkauf über Einrichtungsstilpräsentation bis hin zu Themen mit Eventcharakter präsentiert. Das Ergänzungssortiment hilft demnach zum einen bei der ansehnlichen und verkaufsfördernden Warenpräsentation und erzeugt beim Verbraucher eine gewisse Atmosphäre, die das Internet so nicht bieten kann. Zum anderen können Randsortimente Zusatzkäufe generieren. Denn Verbraucher schätzen den Umstand, ihre Einkäufe an möglichst wenigen Orten erledigen zu können – zumal durch geschickte Warenpräsentation implizit Vorschläge für etwaig passende Ergänzungen zur eigentlichen Grundeinrichtung gegeben werden können.

Was sind dabei die größten Risiken?

Ein großes Risiko liegt sicherlich darin, dass Zusatzsortimente einen zu hohen Anteil an der Verkaufsfläche einnehmen und somit das eigene Kernsortiment mit den zugehörigen Kernkompetenzen vernachlässigt wird. Zudem sollte das Preisniveau der Zusatzsortimente immer auch zu dem des Kernsortiments passen, um die Stringenz der eigenen Positionierung zu wahren.

Wie sollte ein Händler vorgehen, der zukünftig Zusatzsortimente anbieten möchte?

Eine pauschale und allumfassende Lösung gibt es in diesem Falle sicherlich nicht. Dennoch existieren einige Dinge, die ein Händler beachten sollte. So müssen die Zusatzsortimente zu allererst auch zum eigenen Kernsortiment passen, so dass der Verbraucher diese Dinge im jeweiligen Fachgeschäft auch erwarten kann und der bereits angesprochene Verwendungsverbund entsteht. Außerdem sollten derzeitige Verbrauchertrends in die Wahl der Zusatzsortimente miteinbezogen werden. Einer stetigen Anpassung der gelisteten Produkte kommt somit ebenfalls eine große Bedeutung zu.

Welche Tipps können Sie darüber hinaus noch geben?

Die – auch durch den zunehmenden Internethandel – stetig stärker werdende Streuung der Absatzkanäle erhöht den Wettbewerbsdruck für jeden Händler. Um sich erfolgreich am Markt behaupten zu können, ist eine Auseinandersetzung mit den derzeitigen Marktgegebenheiten, aber auch künftigen Entwicklungen unabdingbar. Letztlich wird sich derjenige am Markt behaupten können, der den Verbrauchererwartungen am besten entspricht. Ob dies über emotionale Inszenierungen, innovative und moderne Cross-Channel-Konzepte oder passende Zusatzsortimente erfolgt, muss jeder Händler auf Grundlage seiner eigenen Positionierung und der jeweiligen Zielgruppe treffen. Klar ist aber, dass die Auswahl der Zusatzsortimente immer auch zur Handschrift des Kernsortiments passen sollte.

www.ifhkoeln.de

www.tendence.messefrankfurt.com

Claudia Leimert, Geschäftsführerin Georg Mattheus
Claudia Leimert, Geschäftsführerin Georg Mattheus

Nachgefragt ...

... im Fachhandel

„Es ist wichtig, dem Kunden einen Mehrwert zu bieten. Dies bezieht sich nicht nur auf unseren Service, sondern auch auf unsere Sortimente. C-Artikel wie Facility und Catering offerieren wir unseren Kunden schon seit Jahren im GdB-Katalog. Zusätzlich bieten wir kundenindividuelle Sortimente an, beispielsweise Formularwesen und Werbeartikel. Mit der Kombination aus bestem Service und individuellen Sortimenten werden wir uns vom Markt unterscheiden und einen hohen Grad an Kundenbindung erreichen.“

www.mattheus-buero.de

Gunther Strauß, Geschäftsleiter Abt
Gunther Strauß, Geschäftsleiter Abt

„Ein aktuelles Beispiel für ein Zusatzsortiment ist das Thema Kurzwaren, Wolle. Vor drei Jahren hatten wir in dieser Hinsicht noch gar nichts. Dann haben in Ulm einige Kurzwaren-Geschäfte geschlossen und wir haben Häkel- und Stricknadeln sowie Wolle mit ins Sortiment aufgenommen. Das haben wir einfach mal probiert. Inzwischen ist es ein riesiger Boom, weil Stricken und Häkeln wieder ganz modern sind. Die Jungs häkeln sich Mützen – eine Kundschaft, die für uns erst einmal unerwartet war. Kunden im Teenie-Alter – und die sind plötzlich in der Hobbyabteilung, wo vorher nur Kunden waren, die Künstlerbedarf gesucht haben.“

www.abtshop.de

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