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„Wir brauchen mehr Kundenversteher“

Wie wächst der Fachhandel trotz Krise? Welche Rolle spielen Großhandel und Industrie dabei? Im gemeinsamen Gespräch standen uns Thomas und Monika Veit von Soft-Carrier sowie Sven Schneller von Herma Rede und Antwort.

Wie deuten Sie die Vorzeichen für das Jahr 2010? Worauf müssen sich Fachhändler Ihrer Meinung nach einstellen?

„Was wir als Markenartikler benötigen, sind sehr leistungsfähige und investitionsbereite Großhändler oder Distributoren.“
„Was wir als Markenartikler benötigen, sind sehr leistungsfähige und investitionsbereite Großhändler oder Distributoren.“

Sven Schneller: Ich neige bestimmt nicht zur Schwarzmalerei. Aber ich habe ein ungutes Gefühl, wenn mir Fachhändler im Gespräch jetzt schon versichern: Die Krise ist vorbei. Denn woher sollen im Moment die langfristig tragfähigen und positiven Entwicklungen kommen?

Thomas Veit: Das sehe ich ähnlich: Erst 2010 kommt die Krise im Fachhandel wirklich an. In ihrer Gesamtheit wird sich die Handelslandschaft deutlich reduzieren. Wir rechnen mit erheblichen Verwerfungen. Allerdings ist die gegenwärtige Krise nicht allein die Ursache dafür, sie beschleunigt den Prozess lediglich. Den Fachhandel an sich wird es immer geben, aber anders. Kurz gesagt: Der Fachhandel stirbt, es lebe der Fachhandel.

Wie sieht er denn aus, der künftige Fachhandel?

„Erst 2010 kommt die Krise im Fachhandel wirklich an.“
„Erst 2010 kommt die Krise im Fachhandel wirklich an.“

Thomas Veit: Er ist extrem schlank aufgestellt. Er macht Strecke, Strecke, Strecke und ein bisschen Ladengeschäft. Und er ist in der Lage, sich und sein spezifisches Leistungsangebot jeden Tag zu hinterfragen und sich bei Bedarf immer wieder neu zu erfinden. Erfolgreiche Fachhändler machen das heute schon so.

Sven Schneller: Diese Einschätzung trifft es wohl ganz gut. Dem Ladengeschäft würde ich vielleicht etwas größere Bedeutung geben, vorausgesetzt, Standort, Größe und Warenpräsentation stimmen. Kurzfristig kommt es sehr darauf an, die Liquidität zu sichern. Das gilt für ein mittelständisches Unternehmen wie Herma übrigens genauso. Sich sehr schlank aufzustellen, ist in dieser Hinsicht in der Tat richtig und wichtig.

Monika Veit: Der künftige Erfolg des Fachhandels wird stark abhängen von zusätzlichen Service- und Beratungsleistungen, von tatsächlicher Kundennähe und Kundenorientierung. Zugegeben, das Wort Kundenorientierung wird inflationär gebraucht. Aber ich meine damit konkret, Konsumwellen und Trendströmungen exakt zu treffen, um damit die Kunden dort abzuholen, wo sie sich auch emotional gerade befinden. Das erfordert bestes Marktgespür.

Was bedeutet das für den Großhandel?

Thomas Veit: Was ist überhaupt der Großhandel? In dem Begriff steckt das Wörtchen „groß“. Wenn ich mir manche sogenannte Großhändler ansehe, kann ich dort nichts von Größe entdecken, weder was die Umsätze noch was die Sortimentsvielfalt angeht. Aber als echter Großhändler muss ich doch auch Randsortimente führen und vorrätig halten und damit sofort lieferfähig sein. Was ein Großhändler oder Distributor wie Soft-Carrier meiner Meinung nach dagegen nicht braucht ist ein Außendienst.

… was Herr Schneller vielleicht etwas anders sieht?

„Wir brauchen mehr wirkliche Key-Accounter auf Industrieseite, mehr ‚Kundenversteher‘. Da sticht Herma eindeutig heraus.“
„Wir brauchen mehr wirkliche Key-Accounter auf Industrieseite, mehr ‚Kundenversteher‘. Da sticht Herma eindeutig heraus.“

Sven Schneller: Diese Frage muss ja in erster Linie der Fachhändler beantworten. Es gibt eine Reihe von sehr interessanten und vielversprechenden Konzepten auf Seiten der Großhändler, mit und ohne Außendienst. Es wäre vermessen, als Hersteller zu behaupten, Lösung A oder Lösung B ist die einzig sinnvolle. Wichtig ist, dass es auch im Großhandel einen Wettbewerb der Ideen und Konzepte gibt statt zementierter Strukturen.

Sie rechnen also damit, dass die Marktbereinigung auch im Großhandel weitergeht?

Thomas Veit: Dieser Wettbewerb der Ideen und Konzepte, den Herr Schneller anspricht, ist ja bereits in vollem Gange. Er wird die weitere Auslese beschleunigen.

Sven Schneller: Was wir als Markenartikler wirklich benötigen, sind sehr leistungsfähige und investitionsbereite Großhändler oder Distributoren, wie Thomas Veit sie ja gerne bezeichnet. Die Gefahr, dass dabei am Ende der Wettbewerb auf der Strecke bleibt, sehen wir nicht.

Wie muss man sich den typischen Kunden von Soft-Carrier vorstellen? Sind es eher jüngere Händler, die vor allem selbst über das Internet Produkte vertreiben?

Thomas Veit: Wir können mit Fug und Recht behaupten, dass wir alle beliefern: die klassischen Fachhändler mit einem Ladengeschäft, viele Streckenhändler und natürlich auch viele Internet-Händler. Beim Markenshop haben wir jetzt über 3400 teilnehmende Fachhändler. Wir haben nicht den Eindruck, dass das an ein bestimmtes Alter gebunden ist. Wir haben auch einen 70-jährigen Kunden, der jeden Tag bei uns anruft und sich telefonisch beraten lässt. Klar, wir werden es nicht mehr schaffen, dass er unseren Webshop für seinen eigenen Vertrieb nutzt. Aber er schaut sich die Produkte im Internet an. In Kombination mit unserer Telefonberatung reicht ihm das völlig.

Sie verzichten auf einen eigenen Außendienst. Resultieren daraus auch besondere Wünsche an die Industrie?

„Die Industrie muss noch besser in Zielgruppen und Anwendungen denken.“
„Die Industrie muss noch besser in Zielgruppen und Anwendungen denken.“

Thomas Veit: Ganz einfach: mehr Hirn in der Birne zu haben!

Monika Veit: (lacht) Ja, es ist schon so, dass wir unseren Lieferanten deshalb größeren Stress bereiten. Nach meinem Eindruck überfordern wir unsere Gesprächspartner in der Industrie hin und wieder mit unseren Ideen und Konzepten.

Sven Schneller: Die Industrie hat Soft-Carrier längere Zeit als eine Art Sonderling betrachtet. Man wusste anfangs nicht so recht, wie man mit diesem neuartigen Player in unserem Markt umgehen sollte. Davon kann ich auch Herma nicht ausnehmen.

Aber werden Sie doch einmal konkret: Wie bereiten Sie Ihren Lieferanten denn größeren Stress, Frau Veit?

Monika Veit: Ich will aktives Marketing betreiben. Dazu brauche ich auch aus der Industrie Ideen mit Hand und Fuß, zum Beispiel fürs Cross-Selling. Auf Außendienstler der Industrie, die mit einem Bestellzettel kommen und mir lediglich sagen: „Das ist neu und das ist neu“, kann ich verzichten. Wir brauchen mehr wirkliche Key-Accounter, mehr „Kundenversteher“. Da sticht zum Beispiel Herma inzwischen eindeutig heraus.

Thomas Veit: Die Industrie muss noch besser in Zielgruppen und Anwendungen denken. Der Fachhändler weiß oftmals gar nicht, was sein Kunde mit dem Produkt machen kann. Davon kann ich auch Herma nicht ganz freisprechen. Die „Herma Movables“ zum Beispiel sind ein geniales Produkt, eine Haftnotiz, die sich bedrucken lässt und vollflächig klebt. Super, wirklich! Nur: Weiß das auch jeder Fachhändler?

Sven Schneller: Sie sprechen in der Tat einen kritischen Punkt an. Wir haben am Anfang vielleicht zu sehr darauf vertraut, dass sich der einmalige Produktnutzen der „Herma Movables“ von selbst erschließt. Das war nicht immer der Fall. Aber wir arbeiten daran. Und die stetig wachsende Nachfrage nach dem Produkt zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Sind ausgerechnet die „Herma Movables“ dann vielleicht doch das Beispiel für ein Produkt, das den erklärenden Außendienst benötigt?

„Es stimmt schon: Wir bereiten unseren Lieferanten manchmal größeren Stress.“
„Es stimmt schon: Wir bereiten unseren Lieferanten manchmal größeren Stress.“

Monika Veit: Aber es geht doch viel einfacher und effizienter und vor allem ohne das Risiko, dass meine Botschaften oder Inhalte verfälscht oder unterschlagen werden. Das Web ist prädestiniert für kurze erläuternde Animationen oder Filme. Der „Film der Woche“, den wir auf unserer Website präsentieren, wird sehr gut angenommen. Wir sehen das an den Klick-Zahlen. Für die Markenhersteller, für die ja Produktinnovationen ein wichtiges Differenzierungsmerkmal sind, sind solche Tools in Zukunft noch wichtiger.

Sven Schneller: Das ist richtig. Gerade auch die neuen „Herma Officer“ bieten uns unendlich viele Möglichkeiten, Produktnutzen spielerisch und anschaulich zu demonstrieren. Das merken wir nicht nur an der Besucherzahl auf unserer eigenen Website. Wir bekommen auch sehr positives Feedback von Fachhändlern, denen wir dieses Tool für deren Website zur Verfügung stellen.

Wird der Stellenwert der Marke im PBS-Bereich künftig eher größer oder eher kleiner?

Thomas Veit: Wir betreiben ausschließlich Markendistribution. Das sagt doch eigentlich schon alles. Und das hat nicht nur etwas mit Deckungsbeiträgen und Margenstärke zu tun. Wir reden bei Bürobedarf in der Regel über C-Produkte. Die sind im Grunde belanglos, aber unbedingt notwendig. Bei diesen Produkten kann ich weder als Fachhändler noch als Anwender ein Risiko eingehen. Durch ein Produktversagen oder -nachteil entstünde ein Imageverlust oder Zeitaufwand, der in keinem Verhältnis steht zu dem Wert des Produktes.

Sven Schneller: Da stimme ich sofort zu. Aber Produktqualität kann nur noch ein Teilaspekt der Marke sein. Sie muss deutlichen Mehrwert liefern, in funktionaler und/oder emotionaler Hinsicht. Mit den „Herma Officern“ ist es uns erstmals gelungen, Etiketten zu emotionalisieren. Zugleich bieten wir mit dem „Herma EtikettenAssistent Online“ oder dem „EtikettenScout“ zwei Tools, die in ihrem Leistungsumfang einzigartig sind.

Monika Veit: Das sind zwei gute Beispiele für Ideen aus der Industrie, die den Fachhändlern und natürlich auch uns helfen, Produkte zu verkaufen. Solange Marken wie Herma derartigen Mehrwert schaffen, ist mir um die Zukunft der Marken nicht bange.

www.herma.de

www.softcarrier.com

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