„Langweilig war es wirklich nie“
- 11.10.2013
- Handel
- red.
Herr Schneuer, es gibt wenige, die auf fast vier Jahrzehnte Erfahrung in der Branche zurückblicken können. Was waren die deutlichsten Veränderungen, die bei Ihnen haften geblieben sind?
In Deutschland hatten wir bis in die 90er Jahre eine quasi geschlossene deutsche Handelslandschaft, danach hat der Eintritt der Globals den Markt verändert. Bemerkenswert war, dass die Globals ihr Geschäft weitestgehend nicht durch die Gründung eigener Handelsunternehmen aufbauten, sondern vielmehr bedeutende Fachhändler von Soennecken und büro actuell aufkauften. Die befürchtete Übernahme weiterer Unternehmen blieb allerdings aus. Die Globals kauften sich gegenseitig auf, so dass aus acht gestarteten Unternehmen heute noch drei am Markt existieren. Außerdem habe ich natürlich sehr stark den Zusammenschluss von Soennecken und büro actuell miterlebt. Darüber hinaus drängten die Versender in den Markt und haben im C-Kundensegment dem mittelständischen Bürofachhandel Umsatzanteile genommen. Im stationären Einzelhandel wurde der Wettbewerb durch Drogeriefachmärkte und Discounter verschärft.
Auf der Industrieseite, die Sie ja über 30 Jahre begleitet haben, haben einige ehemals bedeutende deutsche Hersteller dem Veränderungsdruck nicht standhalten können. Haben deutsche PBS-Marken noch den Stellenwert, den man heute noch gerne mit dem Attribut Made in Germany verbindet?
Ja, aber das trifft mehr oder weniger nur auf die Premiummarken zu, die mit einer klaren Marketing-, Produkt-, und Preisstrategie ihre Position im Markt bei Handel und Verbrauchern verankert haben. Viele andere PBS-Marken sind als so genannte C-Lieferanten über den Preis austauschbar.
Auch auf der Handelsseite haben Sie dramatische Verschiebungen erlebt. Haben Fachhändler heute als Einzelkämpfer überhaupt noch eine realistische Zukunftschance?
Nicht organisierte Fachhändler haben – bis auf einige Ausnahmen – weniger Chancen, weil sie selbst nicht die Ressourcen (Finanzen und Personal) haben, um ein erfolgreiches Geschäft zu betreiben. Verbundgruppen bieten da eine wirksame Unterstützung, denn sie übernehmen für ihre Mitglieder zentrale Aufgaben wie zum Beispiel die Zentralregulierung, Marketingleistungen (Print und Online), Zentrallager, E-Procurement-Systeme, IT-Services, Unternehmensberatung, Netzwerke mit anderen Mitgliedern und natürlich die Ausschüttung, die bei vielen Fachhändlern den Unternehmensgewinn ausmacht. In allen Bereichen ist beispielsweise Soennecken exzellent aufgestellt und bietet seinen Mitgliedern einen starken Mehrwert. Als ich vor Jahren zur Soennecken kam, hatte ich natürlich noch die Industriebrille auf und war wirklich beeindruckt, was die Soennecken für ihre Mitglieder leistet. Das hatte ich vorher nicht so vermutet.
Was sind die Stärken, mit denen der mittelständische Fachhändler auch in Zeiten von Internet- und internationalen Playern punkten kann? Was sind die Bereiche, wo er sich noch stärker engagieren sollte?
Grundvoraussetzung ist, dass der mittelständische Fachhandel sich vertrieblich ausrichtet und seinen regionalen Markt aktiv bearbeitet. Dabei muss er die Komponenten wie persönliche Vertriebsarbeit, den Einsatz von Print- und Online-Mitteln richtig gewichtet angehen. Ein besonderer Wettbewerbsvorteil der mittelständischen Fachhändler ist seine gesamte hohe Flexibilität.
Auch bei Händlerkooperationen wie Soennecken besteht in puncto strategische Ausrichtung Veränderungsbedarf. Was sind die Herausforderungen? Und was die Handlungsoptionen?
Soennecken hat die erste Strategieperiode 2009 bis 2013 erfolgreich abgeschlossen. In diesem Zeitraum haben wir unsere Leistung für die Mitglieder erheblich verbessert, haben die Ausschüttung um 63 Prozent und den Zentralregulierungsumsatz um 15 Prozent gesteigert. Ebenfalls sind wir durch die Satzungsänderung erfolgreich in das Direktgeschäft gestartet. Die zukünftigen Herausforderungen sind sicher die erfolgreiche Gestaltung des E-Commerce-Geschäftes sowie die Definition zukünftiger Sortimentsstrukturen, um zu erwartende Rückgänge im traditionellen Bürobedarfssortiment (Stichwort: papierloses Büro) auszugleichen.
Herr Schneuer, viel Erfolg beim Versuch, den (Un-)Ruhestand zu managen und Danke für die befruchtende Zusammenarbeit.