BusinessPartner PBS

Die Zwei-Familien-Strategie

In 150 Jahren haben sich die Familien Kraemer und Wähle immer wieder auf Veränderungen eingestellt. Das Modernisieren und Sich-selbst-neu-erfinden ist bei Papier Kraemer zur Tradition geworden. Für 2010 gibt es bereits Pläne.

Firmengründer Gilbert Kraemer mit seiner Frau
Firmengründer Gilbert Kraemer mit seiner Frau

Firmengründer Gilbert Kraemer mit seiner FrauNicht sehr viele Firmen erreichen das stolze Alter von 150 Jahren. Da stellt sich natürlich die Frage nach dem Erfolgsrezept. Geschäftsführer Klaus-Peter Wähle nennt es Demut vor den großen geschichtlichen Ereignissen, die man nicht beeinflussen könne. Diese fordern die Menschen immer wieder heraus, das Beste auch aus sehr schwierigen Situationen zu machen. Geschäftsführer Gerhard Kraemer ergänzt: „Unsere unternehmerische Tätigkeit besteht darin, über lange Zeit ein gleich bleibendes hohes Niveau auf allen Ebenen zu erreichen.“ Das kommt an: Das Publikum ist bunt gemischt, vom Arbeiter bis zum Direktor ist alles dabei, besonders aber viele Stammkunden schätzen das Angebot und die fachkundige Beratung. Heute sind 40 Mitarbeiter in dem inhabergeführten Fachgeschäft in der Innenstadt von Frankfurt am Main beschäftigt. Nächstes Jahr soll die Papeterie- und Schreibgeräteabteilung neu gestaltet werden.

Die Gründung des Papier- und Schreibwarenhandels Papeterie Gilbert Kraemer fällt in die bewegte Mitte des 19. Jahrhunderts, mitten in einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufschwung hinein. Solides Handwerk, Augenmaß und Bescheidenheit führen das Unternehmen durch 150 Jahre wechselvoller Geschichte, begleitet von Weltkriegen, wirtschaftlicher Depression und der vollkommenen Zerstörung des Ladengeschäfts am Ende des 2. Weltkriegs. Beim Geschäftsbeginn im Juli 1859 ist die Entwicklung des Frankfurter Gesellschafts- und Wirtschaftslebens bereits in vollem Gange. Das „Intelligenz-Blatt der freien Stadt Frankfurt“ verkündet die Eröffnung des „wohlassortierten Lagers“ von „Post-, Schreib-, Concept-, Luxuspapieren, Schreibmaterialien und Comptoirbedarf jeder Art“. Bereits 15 Jahre nach der Geschäftseröffnung stirbt der Firmengründer. Sein einziger Sohn Julius übernimmt zusammen mit seiner Mutter Antonetta den Betrieb. 1880 heiratet Julius Kraemer die Tochter des Spielkarten-Fabrikanten Caspar Ludwig Wüst. Mit den Spielkarten vergrößert sich das Angebot deutlich. Neben Vereins- und Gesellschaftsartikeln wie beispielsweise Knallbonbons und Scherzartikel kommen später auch eine Buchbinderei und eine Druckerei sowie eine Prägerei hinzu. Im Jahr 1900 wird die Papeterie offiziell ins Handelsregister eingetragen. Zeitgleich mit der ersten Internationalen Luftfahrtausstellung feiert Kraemer im Jahr 1909 das 50-jährige Firmenbestehen. Als wichtig für die Entwicklung des Geschäftsbetriebs erweist sich der Eintritt von Georg Wähle im Jahre 1919. Er leitet nun bei Kraemer das Lager und hat die Ladenaufsicht.

150. Jubiläum: (v.l.) Franz Schmitt von der Wirtschaftsförderung Frankfurt, Norman Wähle, Gerhard Kraemer und der Frankfurter Wirtschaftsdezernent Markus Frank
150. Jubiläum: (v.l.) Franz Schmitt von der Wirtschaftsförderung Frankfurt, Norman Wähle, Gerhard Kraemer und der Frankfurter Wirtschaftsdezernent Markus Frank

150. Jubiläum: (v.l.) Franz Schmitt von der Wirtschaftsförderung Frankfurt, Norman Wähle, Gerhard Kraemer und der Frankfurter Wirtschaftsdezernent Markus FrankEin Jahr nach dem Tod von Julius Kraemer im Jahr 1928 verfügt Georg Wähle über Prokura. Den auch heute noch gültigen „Markennamen“ erhält die Papeterie Kraemer in den Dreißiger Jahren. Die Kunden – und nicht etwa Marketingexperten – „taufen“ den Papierhandel „Papier Kraemer“.

Gegen Ende des 2. Weltkriegs vernichtet ein Bombardement binnen weniger Stunden auch bei Papier Kraemer, was drei Generationen aufgebaut hatten. Nach dem Krieg zieht das Unternehmen in das Gebäude In der Liebfrauenstraße 1-3 als Mieter ein. 1948, 85 Jahre nach der Firmengründung, eröffnet das Traditionshaus genau gegenüber dem einstigen Gründungsgeschäft. Die nächsten 50 Jahre werden für Papier Kraemer die Jahrzehnte des Umbaus. In den Jahren 1964, 1969, 1977, 1983 und 1993 wird das Ladengeschäft den Wünschen der Kunden angepasst. Auch der Lieferservice für Büromaterial nimmt kontinuierlich zu. 1992 wird Papier Kraemer Mitgesellschafter bei Bürologistik in Northeim. Das hocheffiziente Logistiksystem kann nun alle Kundenaufträge bundesweit innerhalb von 24 Stunden ausliefern.

1993 gleicht die Liebfrauenstraße 1-3 einer Riesenbaustelle: Der Bauzaun wurde von Pop-Künstler Jim Avignon gestaltet.
1993 gleicht die Liebfrauenstraße 1-3 einer Riesenbaustelle: Der Bauzaun wurde von Pop-Künstler Jim Avignon gestaltet.

1993 gleicht die Liebfrauenstraße 1-3 einer Riesenbaustelle: Der Bauzaun wurde von Pop-Künstler Jim Avignon gestaltet.Trotz der vielen Einschnitte in der Geschichte des Unternehmens ist Papier Kraemer seit eineinhalb Jahrhunderten erfolgreich. Offensichtlich war immer genug Kraft vorhanden, um von vorn anzufangen. „Wir haben über Generationen den Willen entwickelt, uns an diesem Standort zu halten“, erklärt Gerhard Kraemer. Nach seiner Meinung gehört dazu eine gute Ausbildung, aber auch viel Disziplin. Und vor allem hat es auch mit dem Vertrauen der Chefs gegenüber ihren Mitarbeitern zu tun.

Der Geschäftsführer erwähnt, dass nicht sie, die Chefs, auf den Messen einkaufen. Mitarbeiter mit langjähriger Erfahrung, die für eine Abteilung zuständig sind, treffen die Entscheidungen. „Schließlich wissen sie am besten, was die Kunden brauchen“, erklärt Gerhard Kraemer. „Die Mitarbeiter identifizieren sich mit der Ware, die sie verkaufen.“ In der Tradition steht übrigens auch, dass die jeweiligen Geschäftsführer als Erste morgens den Laden betreten und als Letzte abends verlassen. Das hat nichts mit Misstrauen, sondern viel mit Vorbildcharakter zu tun, findet Gerhard Kraemer.

www.papier-kraemer.de

Verwandte Themen
Exklusives Ambiente über den Dächern von Wien: Im November trafen sich die Mitglieder der winwin-Gruppe zum „WINWIN X Chance Summit 2019“. (Bild: winwin Office Network)
Nächste Wachstumsschritte geplant weiter
Auf Expansion ausgerichtet: Streit-Firmenzentrale in Hausach
Die richtigen Werkzeuge für Wachstum weiter
Dr. Benedikt Erdmann: „Die Zukunft macht uns keine Angst – im Gegenteil.“
Intensiv mit der Zukunft beschäftigt weiter
Kaut-Bullinger-Firmensitz in Taufkirchen
Auf deutliche Veränderungen eingestellt weiter
Das Foyer des Freizeit-Inn-Hotels in Göttingen war Standort für die gut frequentierte Lieferantenausstellung. Auch hier wurden die Themen Technik und Einrichtung parallel behandelt.
„Die Welten verschmelzen zunehmend“ weiter
Perfekte Location für die „Office B-B“: die Classic Remise in Berlin Moabit als Tempel der Automobilgeschichte
„Office B-B“ in Berlin mit Rekordwerten weiter