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Neue Flut von Abmahnungen

Viele Onlinehändler sind derzeit von einer Abmahnwelle betroffen. Im zweiten Teil unserer Serie gibt Rechtsanwalt Stefan G. Kramer Tipps zum Umgang mit dieser Situation und zeigt Wege zum abmahnsicheren Webshop.

Eine nicht unerhebliche Anzahl von Anwälten scheint sich ihren Lebensunterhalt damit zu verdienen, im Internet nach Webshops zu suchen, die sich nicht vollständig an gesetzliche Vorschriften halten. Beispiele gibt es viele: Widerrufsbelehrung, falsche AGBs oder ein nicht ganz vollständiges Impressum, das Fehlen des Hinweises auf die Verpackungsverordnung oder eine unrichtige Datenschutzerklärung. Die meisten Internetshops weisen rechtliche Mängel auf. Auf dem Umweg über das Gesetz zur Bekämpfung des Unlauteren Wettbewerbs findet ein Mitbewerber bestimmt einen Mangel, der geeignet ist, dem Konkurrenten rechtlich beizukommen. Dort heißt es unter § 4 Abs. 11 UWG sinngemäß, dass derjenige wettbewerbswidrig handelt, der Vorschriften verletzt, die auch die Interessen des Verbrauchers schützen.

Wie verhält man sich in diesen Zeiten? In welchen Abständen sollte man einen Anwalt konsultieren, und wie sollte man sich im Falle einer Abmahnung verhalten? Natürlich kann man sich darüber aufregen, dass Mitbewerber und Anwälte eine Rechtslage ausnutzen, in der sie sich – bestens bezahlt – aufführen können wie Saubermänner. Nachdem der erste Ärger abgeklungen ist, sollte man aber konstruktiv mit der Situation umgehen. Die erklärt sich wie folgt: Die Rechtslage, an die wir uns halten müssen, ergibt sich aus dem Inhalt von Gesetzen und deren Auslegung durch die Gerichte. Die Gesetzgebung ist derzeit stark im Fluss. Das liegt zum einen daran, dass viele Vorschriften des bestehenden nationalen Rechts so interpretiert werden müssen, dass sie mit Vorschriften des europäischen Rechts übereinstimmen. Selbst dann, wenn der Gesetzgeber versucht, europäische Vorgaben ins nationale Recht zu übersetzen, entstehen häufig Fehler. Die aktuellen Regelungen über die Sicherheit von Maschinen und natürlich die Regelungen des Lebensmittelrechts geben davon ein beredtes Beispiel. Manchmal sind die nationalen Gesetze derart schlecht gemacht, dass die verschiedenen Gerichte in Deutschland zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. Die unsäglichen Entscheidungen über den genauen Inhalt des Widerrufsrechts und die richtige Belehrung seien hier nur als Beispiel genannt. Selbst die neue Verordnung über den richtigen Inhalt der Widerrufsbelehrung wird schon von einigen Gerichten angegriffen (allerdings mit dem Hinweis, dass derjenige, der sich an die neue Belehrungsformel hielte, nur einen geringen Wettbewerbsverstoß beginge).

Die Rechtsprechung zu einigen Problemfeldern gleicht meist einem Flickenteppich. Versierte Anwälte versuchen immer wieder unter Verwendung einer ihnen günstigen Rechtsprechung bestimmter Gerichte, Abmahnungen auszusprechen. Da Verstöße im Internet überall vor Gericht angegriffen werden können, ist es dabei egal, dass die Abmahnung nach der Ansicht anderer Gerichte unberechtigt gewesen wäre.

Die Frage des Rechts ist häufig genug eine Frage des richtigen Ortes. Denn der Bundesgerichtshof kann aufgrund der bloßen Anzahl an Fragestellungen nicht schnell genug zu allen Fragen Stellung nehmen. Und dann ist es auch eine betriebswirtschaftliche Frage, ob Webshop-Betreiber sich tatsächlich immer auf alle Regelungen einlassen wollen, die nach Ansicht besonders verbraucherfreundlicher Entscheidungen gelten sollen, oder es bis zur ersten Abmahnung bei den alten Regeln belassen. Der Ratschlag lautet deshalb: Lassen Sie Ihren Webshop von einem Anwalt untersuchen. Der Anwalt sollte in den Gebieten AGB, Internetrecht und gewerblicher Rechtsschutz zu Hause sein. Lassen Sie sich von diesen Anwälten in einen Verteiler aufnehmen, der Sie über die neuesten Tendenzen und insbesondere über neue Abmahnwellen informiert. Viele Anwälte, die auf den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes spezialisiert sind, sind an Datenbank-Informationssysteme angeschlossen, so dass sie präventiv Informationen über mögliche Schwierigkeiten geben können. Im Zweifel sollten Sie selbst immer mit dem Anwalt Rücksprache halten, wenn Sie nicht sicher sind, ob Schwierigkeiten drohen oder nicht. Ich möchte aber mit Klarheit darauf hinweisen, dass die rechtlichen Strukturen, die ein Anwalt einer Webpage mit AGBs und allen Belehrungen gibt, einem steten und unkontrollierbaren Alterungsprozess unterliegen. Im Prinzip gleichen Rechtsberatungen für Webshops ein wenig der Softwarelieferung. Wann die rechtlichen Bestimmungen geändert werden müssen und welchen Umfang die Änderungen haben werden, ist nicht von vorneherein abzusehen. Aber eines steht fest: Nach der Lieferung müssen die rechtlichen Bestimmungen regelmäßig gepflegt werden, sonst drohen „Funktionsstörungen“.

Im Falle einer Abmahnung ist es eine Frage des Geschmacks, wie man reagiert, und der kann von Mandant zu Mandant unterschiedlich aussehen. Ich halte mich an folgende Linie: Im Falle der ersten Abmahnung versuche ich, die Sache moderat und schnell zu beenden. Wenn ein Mitbewerber regelmäßig den Versuch unternimmt, die eigene Webpage abzumahnen, bin ich stets dafür, das Feuer ins gegnerische Lager zu tragen. In beinahe allen Fällen lohnt ein Ausflug auf die Webpages des Gegners. Dabei geht es darum zu zeigen, dass Sie wehrhaft sind und ebenfalls Kosten in Form von Zeit und Geld verursachen können. Mit dem Abmahnen im Internet verdient man allerdings nur Geld, wenn man Anwalt ist, das ist nicht von der Hand zu weisen.

Stefan G. Kramer

Zu den Tätigkeitsschwerpunkten des 44-jährigen Juristen gehören neben dem Handels- und Vertriebsrecht auch IT-/EDV-, Marken- und Wettbewerbsrecht. Regelmäßig veranstaltet Stefan G. Kramer Seminarreihen, beispielsweise zum aktuellen Vertragsrecht für den Einkauf und Verkauf. Zusammen mit vier Partnern arbeitet Stefan G. Kramer als selbstständiger Rechtsanwalt in Hamburg. Nach seinem Studium in Hamburg war er zunächst als Dozent an der Universität Greifswald tätig, bevor er in einer Kanzlei in Kapstadt/Südafrika mitgearbeitet hat. Im Mai 2000 hat er die Kanzlei Kramer & Partner gegründet.

www.anwaltskanzlei-online.de  

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