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Auf der Suche nach dem „Mehrwert“

Preisverfall und schrumpfende Margen auf der einen, steigende Komplexität, Verlagerung vom Produkt- zum Lösungsgeschäft auf der anderen Seite machen der Distribution das Leben schwer – ein Teufelskreis?

Das Lager von Alpha International in Nijmwegen zeichnet sich durch seinen hohen Automatisierungsgrad aus
Das Lager von Alpha International in Nijmwegen zeichnet sich durch seinen hohen Automatisierungsgrad aus

In Zeiten, in denen mit dem Produkt immer weniger, mit Dienstleistungen und Services immer mehr verdient wird, wird für den Großhandel als Warenmittler im Transaktionsgeschäft die Luft dünn. Vor dem Hintergrund von Trendthemen wie Cloud, Mobility, Big Data oder Managed Services sind die Grossisten gefordert, ihr Geschäftsmodell zu überdenken. Aus gutem Grund, denn nach einer aktuellen Studie des Analystenhauses Canalys hat der IT-Handel seinen Umsatz im ersten Halbjahr um zehn Prozent gesteigert, die Distribution hingegen geht mit stagnierenden Umsätzen und Margen mit durchschnittlich einem Prozentpunkt leer aus.

„Die Konsolidierung unter den Distributoren in Europa wird weitergehen“, sagt Steve Brazier, Gründer des Analystenhauses, bisher gesehene Übernahmen seien erst der Anfang. Erkannt hat man die Entwicklung schon länger, eine einheitliche Strategie auf Seiten der Distribution gibt es nicht. So stellt sich die Frage: Wie werden Rolle, Aufgaben und vor allem die Wertschöpfung der Distribution künftig aussehen?

Im Rahmen der Reorganisation des Produktmanagements bei Ingram Micro übernimmt Renke Krüger (l.), hier im Bild mit Robert Beck (Vice President Product Management, Mitte) und Christoph Dassau (Leiter PAVG), die Leitung der Imaging Multimedia Group.
Im Rahmen der Reorganisation des Produktmanagements bei Ingram Micro übernimmt Renke Krüger (l.), hier im Bild mit Robert Beck (Vice President Product Management, Mitte) und Christoph Dassau (Leiter PAVG), die Leitung der Imaging Multimedia Group.

Um die Organisation und Geschäftsprozesse effizient und marktnah auszurichten, hat beispielsweise Ingram Micro jüngst die Strukturen im Produktmanagement umgebaut. Nach dem Aufbau des Geschäftsbereichs Unified Communication & Collaboration Anfang des Jahres hat der IT-Grossist die Consumer Electronic Group (CEG) aufgelöst und mit dem lösungsorientierten Bereich Digital Signage unter dem Dach der Professional Audio Video Group (PAVG) konzentriert. Volumengetriebene Produktbereiche werden der Imaging Multimedia Group (IMG), der ehemaligen Digital Imaging Group (DIG), zugeordnet. „Die Reorganisation steht für eine konsequente Weiterentwicklung der VVV-Strategie mit Ausbau der lösungsbasierten Themen“, heißt es dazu aus Dornach. Die Vs stehen dabei für Volume, Value, Verticals. Das Value-Business setzt auf dem Volume-Business auf, dazu kommen Lösungsbereiche für vertikale Märkte. „Der Markt konsolidiert sich, Produktbereiche wachsen zusammen oder verlieren an Wachstumsmomentum. Wieder andere sorgen für nachhaltige Marktimpulse“, erklärt Robert Beck, Vice President Product Management. Dies nutze man, um eine strategische Konsolidierung vorzunehmen.

„IT, Database, Prozesse und Logistik werden immer wichtiger“ und jeder müsse permanent seine Prozesse überprüfen, sagt Marc Nijhof, Geschäftsführer bei Alpha International.
„IT, Database, Prozesse und Logistik werden immer wichtiger“ und jeder müsse permanent seine Prozesse überprüfen, sagt Marc Nijhof, Geschäftsführer bei Alpha International.

„In der Distribution findet ein Wandel statt“, bestätigt auch Reiner Schwitzki, Sprecher der neuen Also-Actebis-Geschäftsführung. Im Rahmen seiner „MORE“-Strategie (Maintain, Optimize, Reinvent, Enhance) hat der Broadliner unter anderem den MPS-Dienstleister Druckerfachmann.de sowie den AV-Distributor Medium übernommen und so Know-how eingekauft, das Partnern Zugang zu Wachstumsmärkten wie Managed Print Services oder Digital Signage verschaffen soll. „Wir werden unsere Wertschöpfungskette konsequent erweitern, um dem Fachhandel zusätzliche Leistungen anbieten zu können“, hatte bereits der ehemalige CEO Gustavo Möller-Hergt, der jüngst in die schweizerische Konzernspitze gewechselt ist, betont. „Die Konsolidierungswelle hat bereits begonnen“, ergänzt Schwitzki, der den Distributor mit seiner Strategie gut aufgestellt sieht und das Lösungs- und Servicegeschäft kontinuierlich ausbauen will. Spezialisten, die erfolgreich am Markt agieren, werde es nach wie vor geben. Aber auch der Trend in der Broadline-Distribution, verstärkt Servicethemen an Bord zu holen, werde anhalten. „Erfolgreich werden diejenigen sein, die die richtige Balance zwischen dem Boxmoving und dem Solution- und Service-Geschäft beherrschen.“

Die Qualität der Prozesse

Wie man aber auch Mehrwerte ohne Value-Add-Konzept liefern kann, zeigt unter anderem der Supplies-Spezialist Alpha International: „Für uns ist vor allem die Qualität der Prozesse wichtig“, betont Marc Nijhof, seit April Geschäftsführer des niederländischen Distributors. Trotz des rückläufigen Marktes, Überangebot und neuen Akteuren wie Amazon, sieht sich der Alpha-Chef gut gerüstet. Für das Geschäftsjahr plane man einen Umsatz von 625 Millionen Euro. Dabei strebe man profitables Wachstum im KMU-Umfeld in der DACH-Region und Benelux an. Alleinstellungsmerkmale sieht Nijhof in der Qualität der Prozesse, der Kostenstruktur und einer guten Performance der Logistik.

„Wir beobachten die Märkte und hören zu, um zu verstehen, was unsere Kunden und deren Kunden brauchen“, erklärt Norman Duarte, Europa-Marketing- Chef bei ACI Supplies.
„Wir beobachten die Märkte und hören zu, um zu verstehen, was unsere Kunden und deren Kunden brauchen“, erklärt Norman Duarte, Europa-Marketing- Chef bei ACI Supplies.

„Auch MPS sind eine interessante Entwicklung“, findet der Alpha-Chef. Bereits heute übernehme man bei MPS-Projekten Drop-Shipment- und Finanzdienstleistungen für Händler sowie Hersteller. Jedoch seien MPS ebenso wie die Versorgung mit Supplies ein Thema für Spezialisten. Für den Handel, ist sich Nijhof sicher, „kommt eine harte Zeit“. E-Commerce-Spezialisten wie Amazon nehmen den etablierten Anbietern nicht nur Marktanteile ab, sondern zwingen sie zum Wandel. „IT, Database, Prozesse und Logistik werden immer wichtiger“, so Nijhof, jeder müsse permanent seine Prozesse überprüfen. Dass der Supplies-Spezialist hier gut aufgestellt ist, zeigt das 15 000 Quadratmeter große, halbautomatisierte Hochregallager am Rande von Nijmegen. Es ist wegeoptimiert und papierlos, verfügt über individuelle Lösungen für Key-Accounts, Schnelldreher, Fehler- und Qualitätskontrollen. Drei Millionen Euro Umsatz laufen täglich durch das Lager. „Wir machen keine Fehler – oder zumindest sehr wenige“, sagt Nijhof, „sieben bei 1000 Bestellungen, um genau zu sein“. Der Fachmann sieht weitere Potenziale beispielsweise in der Automatisierung der Prozesse. Denn eines sei für ihn sicher: Der Druck im Markt werde weiter wachsen, „die Konsolidierung schreitet voran.“

„In der Distribution findet ein Wandel statt“, sagt Reiner Schwitzki, Sprecher der neuen Also-Actebis- Geschäftsführung.
„In der Distribution findet ein Wandel statt“, sagt Reiner Schwitzki, Sprecher der neuen Also-Actebis- Geschäftsführung.

Dass eine niedrige Kostenstruktur eine Voraussetzung für ertragreiches Geschäft ist, weiß man auch 150 Kilometer südlich bei ACI Supplies in Maastricht. Im vergangenen Jahr habe man den Umsatz um 48 Prozent gesteigert, berichtet der europäische Marketingchef Norman Duarte stolz. Seit drei Jahren treibt ACI den Wandel zum Office-Vollsortimenter voran, hat mit Hardware und Speichermedien sein bestehendes Portfolio erweitert und bietet Händlern ein Sortiment mit rund 20 000 Produkten. 650 Millionen Euro Umsatz hat ACI in 2011 erzielt. Der größte Teil davon stammt nach wie vor aus dem Supplies-Geschäft, gefolgt vom Büromaterial. Man arbeite intensiv daran „als Broadline-Distributor wahrgenommen zu werden“. Neben der Kostenstruktur ist für Duarte vor allem der Ausbau von Kundenbasis und Volumen wichtig. Getreu dem Claim „We help our customers, to help theirs“, stehen der Kunde, guter Service und gute Produkte im Mittelpunkt. „Wir beobachten die Märkte und hören zu, um zu verstehen, was unsere Kunden und deren Kunden brauchen“, erklärt der Spanier, „trotz schrumpfender Kernmärkte sehen wir viele interessante Segmente.“ Um Händlern ein breites Portfolio zu bieten und One-Stop-Shopping- und Cross-Selling-Potenziale zu erschließen, baue man das Sortiment vor allem bei Büromaterial und Hardware konsequent aus, kündigt Duarte an. Doch auch an internen Prozessen und der Logistik arbeitet man in Maastricht. Rund 20 Millionen Euro hat der Distributor in ein neues Logistikzentrum, das Anfang 2013 in Betrieb genommen werden soll, investiert.

„Value ist in aller Munde“, betont auch DexxIT-Vertriebsleiter Hans-Jürgen Schneider. Um echte Mehrwerte darstellen zu können, brauche es aber Markt-Kenntnis und Erfahrung, findet Schneider, der die Distribution weder in der Rolle des Dienstleisters noch in der des Projektmittlers sieht. Mit entsprechendem Know-how könnte die Distribution zwar helfen, Mehrwertthemen aufzubereiten. Zunächst sei jedoch der Handel in der Pflicht. Kernthemen der Distribution seien nach wie vor Produktsortiment, Verfügbarkeit und eine Logistik. Diese gelte es zu optimieren und zu verfeinern.

Nachgefragt ...

... bei b.com-Vorstand Patrick Köhler

Wie bewerten Sie die aktuelle Situation in der Distributionslandschaft und wo sehen Sie b.com positioniert?

Patrick Köhler
Patrick Köhler

Die Distribution hat seit Jahren mit Preisverfall oder sinkenden Margen zu tun. Das ist sozusagen unser Tagesgeschäft. Zwar wird viel von Trends wie Cloud und MPS gesprochen, aber bislang haben wir noch kaum schlüssige Konzepte in der Distribution gesehen. Auch eine echte Verlagerung zum Lösungsgeschäft können wir nicht erkennen. Die aktuelle Marktlage ist nicht einfach. Der Bitkom hat optimistisch ein Umsatzwachstum von circa drei Prozent mit IT-Produkten für 2012 vorausgesagt. Die Eurokrise hat jedoch das Wachstum deutlich gehemmt. Die Nachfrage war schwankend und wir erwarten keine großen Sprünge beim Jahresendgeschäft. b.com ist der Broadliner für den Mittelstand. Dementsprechend haben wir in den vergangenen zwölf Monaten an unserer Herstellerbasis gearbeitet, um Kunden ein Broadliner-übliches One-Stop-Shopping-Erlebnis bieten zu können. Gleichzeitig haben wir unsere Kundenbasis vergrößert. So sind wir breit aufgestellt und können den Markt gut abdecken.

Vor welchen Herausforderungen steht die Distribution?

In diesem Jahr haben die Wachstumsraten nachgelassen, jeder ist mit einem stagnierenden oder teils schrumpfenden Markt konfrontiert. Das Distributionsgeschäft ist von Natur aus auf Wachstum ausgelegt, so dass die Herausforderungen in der Anpassung an dieses Marktumfeld liegen.

Wer kann es denn besser, ValueAdd-, Spezial- oder Volumendistribution? Und steht durch die aktuelle Marktsituation die lange erwartete Konsolidierung an?

Jeder Distributor am Markt hat seine Berechtigung, weil er die Bedürfnisse seiner Zielgruppen bedient. Es wird immer Spezialisten geben, die Leistungen anbieten, die ein Vollsortimenter nicht anbieten kann oder will. Die Frage nach der Konsolidierungswelle begleitet uns schon seit 20 Jahren und wird je nach Entwicklung des Markts intensiver oder weniger intensiv diskutiert. Der Distributionsmarkt in Deutschland ist mehr als zehn Milliarden Euro groß, da fallen hin und wieder schon mal Distributionsunternehmen raus, jedoch kommen auch neue hinzu. Fest steht: kein Hersteller oder Händler hat Interesse daran hat, nur aus einer Hand voll Distributoren auswählen zu können. Jeder möchte sein Risiko streuen. Wenn der Markt nicht wächst, ist er immer überdistribuiert, aber eine Konsolidierungswelle sehen wir bislang nicht.

www.bcom.de

www.aci-supplies.com

www.alpha-international.eu

www.alsoactebis.de

www.dexxit.de

www.ingrammicro.de

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