Heute schon an morgen denken
- 11.10.2013
- Top-Themen
- red.
Die eigene Nachfolge gestalten, ist kein „Business as usual“, sondern eine der wichtigsten unternehmerischen Aufgaben, die den Fortbestand des Unternehmens sichert, Mitarbeitern und Kunden Perspektiven bietet und letztlich auch die eigene Zukunft nach dem aktiven Berufsleben regeln sollte. Eine Übergabe bringt aber auch zahlreiche Facetten mit sich, die für einen Unternehmer Neuland sind: die Suche nach einem geeigneten Nachfolger, Fragen rund um Personal und Finanzierung, die Bewertung des Unternehmens, das Beschäftigen mit Steuer- und Erbrecht. Daneben spielen emotionale Themen wie die Ungewissheiten über die persönliche Zukunft und mögliche Konflikte innerhalb der Familie eine Rolle.
Die Bedeutung des Themas zeigen auch die Zahlen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM). In der Zeit zwischen 2010 und 2014 steht nach IfM-Schätzungen in knapp 110 000 Familienunternehmen eine Übergabe an, im Schnitt also rund 22 000 pro Jahr. Häufigster Grund mit einem Anteil von 86 Prozent ist das Erreichen des Ruhestandsalters. Die Untersuchungen machen aber auch die Schwierigkeiten offenkundig und zeigen, dass Unternehmer das Thema häufig zu spät anpacken und oft nur einzelne Aspekte bedenken. So sehen laut Studien von IfM und DIHK (Deutscher Industrie- und Handelskammertag) 71 Prozent der Unternehmer zwischen 55 bis 60 Jahren ihre Nachfolge nicht geklärt. 48 Prozent der Unternehmer beginnen, laut den Experten, zu spät mit den Vorbereitungen. Als Hindernis erweisen sich zudem negative Erfahrungen bei der Suche eines Nachfolgers. Bei 71 Prozent der Eigentümer und 84 Prozent der Übernahmeinteressenten ist mindestens eine Nachfolgeverhandlung gescheitert. Viele Unternehmer verpassen so schlichtweg einen günstigen Zeitpunkt für die Übergabe. In wirtschaftlich guten Zeiten führen sie es gerne noch ein paar Jahre weiter. In dann folgenden wirtschaftlich schlechteren Zeiten, wo sie über den Verkauf nachdenken, ist der Wert meist deutlich gesunken. Parallel dazu wächst der Zeitdruck. Eine „Verlängerung des Unternehmertums“, die oft zu Lasten der unternehmerischen Dynamik geht und durch fehlende Offenheit für Innovationen und niedrige Investitionsbereitschaft zu einer schlechteren Positionierung des Unternehmens führt.
Dabei braucht gerade eine so wichtige Entscheidung ihre Zeit. Eine Übergabe dauert oftmals bis zu drei Jahre. Ein weiteres Problem bei der erfolgreichen Suche nach einem Nachfolger ist ein überhöhter Verkaufspreis. 41 Prozent der Inhaber schätzen den Wert ihres Unternehmens höher ein, als er tatsächlich ist. Daneben spielen aber auch emotionale Themen eine wichtige Rolle. So können rund 38 Prozent der Unternehmer nicht loslassen. Gründe für das Scheitern einer erfolgreichen Nachfolge liegen aber nicht nur auf Seiten der Inhaber, sondern bei potenziellen Nachfolgern: 56 Prozent und somit mehr als die Hälfte haben den Experten zufolge Schwierigkeiten bei der Finanzierung und falsche Vorstellungen über die notwendigen Eigenmittel. Die Hälfte der Suchenden findet kein für sie passendes Unternehmen. Rund 44 Prozent unterschätzen die Anforderungen, die mit Übernahme und Unternehmertum verbunden sind.
Geräusch- und reibungslos
Aktuelle Beispiele für erfolgreiche Nachfolgen gibt es auch in der Branche. So übernahm das Hamburger Systemhaus FKS Friedrich Karl Schroeder im Oktober den Output-Spezialisten BWJ Kopiersysteme. Der Zusammenschluss der beiden Traditionsfirmen sei ein gutes Beispiel für eine aufeinander abgestimmte, „geräuschlose“ Nachfolgepolitik, heißt es aus der Hansestadt. 1986 mit dem Ziel gegründet, individuell und auf seine Kunden bezogen zu arbeiten, steht BWJ für Zuverlässigkeit, partnerschaftliches Denken und individuelle Zusammenarbeit. Die Überlegung eine geeignete Nachfolge zu suchen, war bei den BWJ-Geschäftsführern Angelika Jörck und Bernd-Michael Wolski schon lange präsent. Sie wollten den bestmöglichen Übergang für ihre Kunden gewährleisten. „Unseren Erfolg verdanken wir unserer Philosophie, unserer technischen Leistung, der langjährigen Zusammenarbeit mit Kunden und Partnern“, resümiert Jörck. Einer dieser Partner sei auch FKS gewesen.
„Für uns ist die Übernahme ein weiterer Schritt auf dem Wachstumspfad“, erklärt Christian Schroeder, geschäftsführender Gesellschafter bei FKS, der sich freut, dass die Guppe mit BWJ ein weiteres renommiertes Unternehmen hinzugewinnen konnte. „Kunden von BWJ gewinnen doppelt“, ergänzt FKS-Geschäftsführer Wolfgang Rocker. „Zum einen erhalten sie eine langfristige Perspektive und zum anderen zusätzliche Optionen durch das größere Leistungsspektrum der FKS.“
Reibungslos verlief auch die Nachfolge des Bielefelder Unternehmens Kühnreich. Mit dem Rückzug der Inhaberfamilie in den Ruhestand stieg das in Minden ansässige J.C.C. Bruns Bürocentrum Anfang Juli beim Bielefelder Traditionshaus ein. Das Bürocentrum ist Teil der Unternehmensgruppe J.C.C. Bruns, die unter anderem auch das Mindener Tagblatt herausgibt. 1881 als neues Geschäftsfeld des heutigen Medienunternehmens gegründet, bietet das Bürocentrum Einrichtungslösungen, Büro- und Kommunikationstechnik sowie Bürobedarfsartikel. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Streckengeschäft mit gewerblichem Bürobedarf. Zusammen mit dem Fachmarkt, den das Unternehmen in Minden betreibt, setzt J.C.C. Bruns Bürocentrum rund 4,5 Millionen Euro in diesen Teilbereichen jährlich um.
Im Rahmen der Nachfolge hat der Mindener Fachhändler nicht nur die Räumlichkeiten und den Techniker sowie einen externen Dienstleister für Netzwerkanbindungen in Bielefeld übernommen. Mit dem Kühnreich-Kundenstamm werden wir rund 4000 Kunden über alle Teilbereiche des Bürocentrums betreuen, erklärt dessen Leiter Burkhard Schulze. „Ziel ist eine stärkere Marktpräsenz mit PBS-Produkten und Büroeinrichtung.“ Bereiche, die bislang nicht zu den Geschäftsfeldern von Kühnreich gehörten.
Wachstumspotenzial sieht Schulze aber auch bei Technik und Büroeinrichtung. Rund 2,5 Millionen Euro wolle man zukünftig in diesen Bereichen umsetzen, betont der Leiter des Bürocentrums. Durch die Übernahme des Kühnreich-Geschäfts sei die Anzahl der Druck- und Kopiersysteme um etwa 80 Prozent gestiegen.
Ausdrücklicher Wunsch der Kunden sowie auch wesentlicher Bestandteil der Verhandlungen mit dem Inhaber waren, den Standort, den guten Service sowie die Marke Utax beizubehalten. Wünsche, denen man nicht nur durch die Neubesetzung von Innendienst und Störungsannahme, was bislang die Frau des Inhabers übernommen hatte, nachgekommen ist. Auch den Vertrieb in Bielefeld hat man mit einem neuen Mitarbeiter, der mehrjährige Erfahrung im Verkauf von Drucklösungen mitbringt sowie sich in der Region auskennt, gestärkt.
Erste Gespräche im Bezug auf die Nachfolge habe man im März und April geführt. „Die größte Herausforderung war das Bewerten der vorhandenen Verträge“, erinnert sich Schulze. Denn dabei seien nicht nur Seitenpreise und Vertragslaufzeiten entscheidend, auch Aktualität der eingesetzten Systeme und Erfahrungen des Kundendienstes spielen eine wichtige Rolle. Die Übernahme der Verträge habe man deshalb erst nach Rücksprache mit den beteiligten Leasinggesellschaften vereinbart. Als Soennecken-Mitglied habe man zudem mit den Verantwortlichen des Geschäftsfelds Druck und Kopie Rücksprache gehalten. Ein Service, der sich Mitgliedern einer Kooperation natürlich anbiete.
„Von großer Bedeutung bei der Übernahme sei zudem die Unterstützung des ehemaligen Inhabers“, berichtet der Leiter des Bürocentrums. So können Kunden rechtzeitig von Käufer und Verkäufer informiert und das Vertrauen vom ehemaligen zum neuen Dienstleister transportiert werden. Die Zeit für gemeinsame Kundenbesuche, Mailings und Image-Anzeigen mit dem Vorgänger sollte man sich nehmen, empfiehlt Schulze. Mit der Integration der Warenwirtschaft und einem einheitlichen Außenauftritt hat J.C.C. Bruns Bürocenter den Nachfolgeprozess abgeschlossen. „Eine Übernahme ist dann erfolgreich, wenn bei Erreichbarkeit, Service und Preisgestaltung größtmögliche Kundenzufriedenheit erreicht wurde“, betont Schulze, der sich bei der Übernahme über eine Kündigungsquote unter einem Prozent freuen konnte. Nun gelte es, dies durch guten Service auch in Zukunft zu halten.
Raum für Neues lassen
Einen anderen Umgang mit dem Thema Unternehmensnachfolge hat das in Saarbrücken ansässige Systemhaus Schwindt. 1950 von Reinhard Schwindt als Büromaschinenvertrieb gegründet, hat sich das Unternehmen als kompetenter Anbieter für IT-Lösungen und Services und Büroeinrichtung positioniert. Mit Gerald Morgenstern, Rainer Hilgert und Thomas Mathieu verantworten gleich drei Geschäftsführer das operative Geschäft. An Schwindt beteiligt sind aber insgesamt zehn Gesellschafter, die alle im operativen Geschäft tätig sein müssen. Wer das Unternehmen verlässt oder nicht mehr im operativen Geschäft tätig ist, muss seine Anteile verkaufen. Neben der Geschäftsführung, die 52 Prozent der Unternehmensanteile hält, gehören auch junge Mitarbeiter, die in die Führungspositionen hineinwachsen sollen, zu den Teilhabern.
Das Konzept gehe auf den Firmengründer zurück, der sich bereits in den 60er Jahren Gedanken gemacht habe, wie er Mitarbeiter und damit Know-how und Kapital ans Unternehmen binden kann, berichtet Hilgert. Seitdem werde das Konzept, das neben der Beteiligung auch die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter einbezieht, kontinuierlich weiterentwickelt, erzählt der Geschäftsführer, der 1980 selbst als Auszubildender bei Schwindt begonnen hat. Mitarbeiter schon früh an Führungspositionen heranzuführen und sie am Unternehmen zu beteiligen, bietet viele Vorteile, weiß Hilgert. „Über die Jahre hinweg entwickelt sich so nicht nur Verbundenheit zum Unternehmen, sondern auch die Denke eines Unternehmers.“ Mit dem Konzept habe Firmengründer Schwind aus der Not eine Tugend gemacht, sagt Gerald Morgenstern. „Viele warten solange bis es nicht mehr anders geht“. Als Unternehmer habe man jedoch soziale Verantwortung, betont der Geschäftsführer, der sich verpflichtet sieht den rund 40 Mitarbeitern eine Perspektive aufzuzeigen.
„Das Konzept passt sicher nicht für jedes Unternehmen“, sagt Hilgert. Bis dahin, wo man heute ist, sei es ein langer Prozess gewesen, der durch den kooperativen Führungsstil und die Menschen bei Schwindt auch die Unternehmenskultur geprägt habe. Mit den Ideen, mit denen sich gerade die jungen Köpfe einbringen, gebe es jedoch auch aktive Diskussion, die Schwindt helfe, Kunden trotz der rasanten Marktentwicklung innovative und passgenaue Lösungen anzubieten.