BusinessPartner PBS

Big Deals auf der Lieferantenseite

Die Wirtschaftskrise zeigt Wirkung: Sind die Anfang November angekündigten Übernahmen von Herlitz durch Pelikan und Isaberg Rapid durch Esselte die Vorboten einer Konsolidierungswelle auf der Lieferantenseite?

Big Deal auf der PBSIndustrieseite: Pelikan (das Bild zeigt die Firmenzentrale in Hannover) will mit der angestrebten Herlitz-Übernahme die Position im europaweiten Geschäft nachhaltig stärken.
Big Deal auf der PBSIndustrieseite: Pelikan (das Bild zeigt die Firmenzentrale in Hannover) will mit der angestrebten Herlitz-Übernahme die Position im europaweiten Geschäft nachhaltig stärken.

Big Deal auf der PBSIndustrieseite: Pelikan (das Bild zeigt die Firmenzentrale in Hannover) will mit der angestrebten Herlitz-Übernahme die Position im europaweiten Geschäft nachhaltig stärken.

Dass der deutliche Nachfragerückgang seit Beginn der Finanzkrise im Herbst des vergangenen Jahres nicht ohne Auswirkung auf die Hersteller und Lieferanten der PBS-Branche bleiben würde, war zu erwarten. Lange war es dennoch zumindest auf offizieller Seite und nach außen hin erstaunlich ruhig – Gespräche zwischen den Herstellern bzw. den Shareholdern gab und gibt es eine ganze Reihe, und einige Maßnahmen vor allem auf der Kostenseite wie beispielsweise mit Kurzarbeit wurden eingeleitet. Je länger die Krise anhält, desto deutlicher sind jedoch die Spuren in den Bilanzen der Unternehmen – und desto größer wird der Handlungsdruck.

Und die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, vor allem für die Lieferanten mit einem starken Exportanteil. Wie der PBS Industrieverband nach seiner Herbstversammlung Anfang November mitteilte, verbuchten die 30 mittelständischen Herstellerfirmen in den ersten drei Quartalen 2009 in Deutschland einen Rückgang ihrer Umsätze von rund neun Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Deutlich stärker, nämlich um im Schnitt 20 Prozent, waren die Exportumsätze eingebrochen. Hierbei beklagen sich die Firmen insbesondere über die Geschäftslage in den Ländern Osteuropas, in den USA, Großbritannien und Spanien. Insgesamt sanken die Umsätze der Mitgliedsfirmen in den ersten neun Monaten des Jahres um rund zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr; bei jedem siebten Industrieunternehmen waren die Gesamtumsätze um mehr als 20 Prozent eingebrochen.

Ähnliche Zahlen lieferten Mitte November die im Altenaer Kreis zusammengeschlossenen 20 führenden Markenfirmen der PBS-Industrie: Bis Oktober gingen die Inlandsumsätze um sechs Prozent und die Exporte um 17 Prozent zurück. Insgesamt mussten die Hersteller in den ersten zehn Monaten einen Umsatzrückgang von durchschnittlich neun Prozent verkraften. Und auch die Erwartungen für 2010 fallen verhalten aus. „Einzelne Markenfirmen haben erste Anzeichen für eine Erholung ausgemacht. An einen nachhaltigen Aufschwung schon im kommenden Jahr zu glauben fällt aber schwer“, so Rolf Schifferens, Sprecher des Markenverbands und Geschäftsführer der Faber-Castell Vertrieb GmbH.

Unter diesen Vorzeichen ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Firmen intensiv mit Themen wie Neuausrichtung, Kostenreduzierung, Sortimentsbereinigung bis hin zu Verkäufen, auf der anderen Seite aber auch mit Akquisitionen, Programmerweiterungen und Produktentwicklungen beschäftigen. „Es gibt derzeit einige Player, die Geld haben und Geld ausgeben wollen, und zudem herrschen aktuell echte Kaufkurse“, so ein gut informierter Branchenkenner zur aktuellen Situation.

Pelikan und Esselte in der Offensive

In dieses Szenario passen auch die beiden Meldungen vom 6. November, die nahezu gleichzeitig, aber unabhängig voneinander kommuniziert worden waren: Pelikan meldete die angestrebte Übernahme von Herlitz und Esselte die beabsichtigte Akquisition von Isaberg Rapid. Beide Deals, die noch von den jeweils zuständigen Kartellbehörden abgesegnet werden müssen, scheinen nicht unmittelbar der aktuellen Wirtschaftskrise geschuldet, sowohl bei Herlitz als auch bei Isaberg Rapid gab es schon seit langem und immer wieder Gerüchte über Verkaufsgespräche. Dennoch hat die aktuelle Situation und vor allem der weitere Ausblick die Shareholder offensichtlich nachhaltig beeinflusst, einen Verkauf einzuleiten.

Der Herlitz-Mehrheitseigentümer, die Private-Equity-Gesellschaft Advent International, trennt sich damit von ihrem 2005 gestarteten finanziellen Engagement. Die 1904 gegründete Herlitz AG zählt bei einem Umsatz von zuletzt knapp 302 Millionen Euro mit elf Auslandstöchtern sowie Fertigungsstätten in Brandenburg, Polen, Rumänien und Großbritannien zu den führenden europäischen PBS-Herstellern. Für Pelikan bedeutet die angestrebte Übernahme nicht nur eine deutlich Sortimentserweiterung und den Zugang zu neuen Vertriebskanälen, ein ganz wesentlicher Aspekt betrifft offenbar die Logistikverbesserungen, die mit der Herlitz-Tochtergesellschaft Mokari Falkensee als Eigentümerin des dortigen Lagerstandortes erreicht werden sollen. Der malaysische Inhaber von Pelikan, Loo Hooi Keat, hob denn auch besonders hervor, welche wichtige Rolle das Logistikzentrum in Falkensee bei den Übernahmeplänen spielt: „Wir glauben, dass die Gruppe erhebliche Vorteile mit diesem Lager erzielen kann, da die Logistikabläufe in Europa erheblich verbessert werden können“, wird er in einer Pressemitteilung zitiert.

Auch Esselte zielt mit der angepeilten Übernahme des Wettbewerbers Isaberg Rapid, einem führenden Unternehmen im globalen Heftgerätemarkt, auf Synergieeffekte sowie neue Kunden und Märkte. So wird die Akquisition von Esselte als „eine strategische Ergänzung des eigenen Büroartikelgeschäftes sowie als Expansion in den Werkzeugbereich und Vertrieb über den Baumarktkanal gesehen“. Die Übernahme ist laut Firmeninfo Teil von Esseltes Strategie, das Kerngeschäft zu stärken und die Marktposition als globales Unternehmen auszuweiten. Der Esselte-Konzern ist derzeit bei einem Umsatz von rund einer Milliarde Dollar mit Standorten in 31 Ländern weltweit aktiv und vertreibt seine Produkte in mehr als 120 Länder.

Gleichgewicht zwischen Handel und Industrie

Die Konsolidierung, die möglicherweise jetzt der Industrie bevorsteht, wurde im Handel schon vor einiger Zeit eingeleitet – und dies auf internationaler Ebene. Selbst für Branchenverhältnisse vermeintlich große Lieferanten wie Avery, 3M oder Esselte treffen dabei im internationalen Geschäft auf der Handelsseite auf so genannte Globals wie Office Depot, Staples oder Lyreco, die ein Vielfaches an Umsatz generieren. Auch im Warenhaus-Bereich, LEH oder im immer wichtiger werdenden Online-Geschäft mit Giganten wie Amazon sehen die Größenverhältnisse meist nicht anders aus. Die Entwicklung im Handel schreitet dabei weiter voran, wie Mitte des vergangenen Jahres die Übernahme von Corporate Express durch Staples nachhaltig untermauert hat. Hinzu kommen die Gefahren, die von Handelsmarken, No-Names oder Billigimporten ausgehen. Selbst im mittelständischen Bürofachhandel in Deutschland gibt es ein klare Entwicklung zu immer größeren Einheiten – nicht von ungefähr erhalten die Einkaufskooperationen und Marketinggruppen einen immer höheren Stellenwert. Und diese Tendenz setzt sich auch in der Distribution und im Großhandel mit einer zumindest zunehmend europaweiten Ausrichtung fort, wie Spicers oder die österreichische PBS-Holding unterstreichen.

Objekt des Interesses: das Herlitz-Logistikzentrum in Falkensee, von dem sich Pelikan eine entscheidende Verbesserung der Logistikabläufe verspricht
Objekt des Interesses: das Herlitz-Logistikzentrum in Falkensee, von dem sich Pelikan eine entscheidende Verbesserung der Logistikabläufe verspricht

Objekt des Interesses: das Herlitz-Logistikzentrum in Falkensee, von dem sich Pelikan eine entscheidende Verbesserung der Logistikabläufe verspricht

„Die Zeit ist reif für eine Konsolidierung der PBS-Industrieseite, die Wirtschaftskrise hat den Prozess lediglich beschleunigt“, bestätigt Pelikan-Europachef Arno Alberty, der nicht zuletzt mit der angestrebten Herlitz-Übernahme mit Pelikan zu den Playern gehören will, „die gestalten können und sich international mit den Handelsglobals auf Augenhöhe bewegen“. Branchenkenner gehen davon aus, dass es heute noch viel zu viele Hersteller gibt, die alles machen wollen und dafür weder das notwendige Kapital noch die internationale Ausrichtung haben. Die kleinen und mittelständischen Hersteller sind weiterhin stark darauf angewiesen, mit Innovationen und Schnelligkeit zu punkten. Wer im kommenden Jahr mit grundlegenden Themen wie der Finanzierung Schwierigkeiten bekommt, der könnte zu ernsthaften Veränderungen gezwungen sein.

www.pelikan.de

www.herlitz.de

www.esselte.com

www.isaberg-rapid.com

Verwandte Themen
Soennecken-Vorstand Dr. Benedikt Erdmann: „Mit Mut und kühlem Kopf können Händler auch diese Konsolidierung für eigenes Wachstum nutzen. Ich bin sicher, dass unsere Mitglieder da gute Voraussetzungen haben.“
„Für 2020 können wir nur auf Sicht fahren“ weiter
Viele Unwägbarkeiten Vorhanden weiter
Die Moderatorin Nandini Mitra und Andrej Kupetz, Haupt­geschäftsführer Rat für Formgebung, bei der Preisverleihung.
Große Marken im Fokus weiter
Große Umfrage zum Jahresauftakt weiter
Das Büro im Jahr 2020 weiter
Blick in die Zukunft weiter