Soennecken zielt gegen die Globals
- 13.04.2010
- Top-Themen
- red.
Soennecken-Vorstandschef Benedikt Erdmann und sein Vorstandskollege Rainer Barth waren in den vergangenen Wochen nahezu pausenlos quer durch die Bundesrepublik unterwegs – und dies vornehmlich bei den Mitgliedern, um sie für ein neues Projekt mit nachhaltigen Auswirkungen zu sensibilisieren. Dabei geht es insbesondere darum, dass Soennecken bzw. die Großhandelstochter LogServe zukünftig das Direktgeschäft mit gewerblichen Großkunden aufbauen und selbst betreiben will. Die Tragweite dieser Initiative wird allein dadurch deutlich, dass dafür eine Satzungsänderung notwendig ist. Das Thema steht damit auf der kommenden Generalversammlung am 30. April in Dresden ganz oben auf der Agenda – eine Dreivierteilmehrheit ist dazu erforderlich.
Strategie 2013 und die Konsequenzen
Ganz so überraschend ist die Initiative nicht: Ende 2008 hat Soennecken mit Peter Poggenpohl als LogServe-Geschäftsführer einen Manager an Bord geholt, der aus seiner früheren Tätigkeit als Leiter des Großkundengeschäfts bei Lyreco die Marktbedingungen, die Kunden sowie die realisierbaren Zahlen bestens kennt. In den letzten Monaten wurden zudem gleich mehrere vertriebsorientierte Mitarbeiter vom Global nach Overath geholt. Die Soennecken-Führungsmannschaft hat sich zudem seit rund einem halben Jahr intensiv mit der Weiterentwicklung der Kooperation, den Zielen und den damit verbundenen nächsten Schritten beschäftigt. Im Rahmen der vom Vorstand verabschiedeten „Strategie 2013“ wurden im Wesentlichen zwei Ziele definiert:
• Umsatzziel: „Die Soennecken eG erzielt durch aktive Marktbearbeitung arbeitsteilig mit den Mitgliedern und durch innovative Vermarktungskonzepte ein nachhaltiges Wachstum mit einem Umsatzziel von 650 Millionen Euro.“ Dies entspricht einer Steigerung von 26 Prozent bzw. 138 Millionen Euro gegenüber dem Plan 2010.
• Ausschüttungs-/Ergebnisziel: „Wir steigern die Ausschüttungen bis 2013 auf drei Prozent des ausschüttungsfähigen Umsatzes im Zentralregulierungsgeschäft. Die Soennecken LogServe erzielt eine Umsatzrendite von ebenfalls drei Prozent vor Mitgliederboni.“
„Diese Ziele sind mit einem beherzten ,weiter so‘ nicht erreichbar“, so Benedikt Erdmann Ende März bei einem Pressetermin. Seine nachvollziehbare Argumentation für den Aufbau einer Direktvertriebsorganisation: Seit Ende der 90er Jahre haben sich zentrale Marktbearbeitungskonzepte im Großkundengeschäft durchgesetzt.
Der mittelständische Fachhandel habe im Segment der Kunden mit mehr als 1000 Büroarbeitsplätzen nur noch einen verschwindend kleinen Marktanteil. „Was also liegt näher, als einen Teil des hier für die Genossen ungenutzten Marktvolumens durch die Soennecken selbst zurückerobern zu lassen?“ betont Erdmann. Vor diesem Hintergrund möchte die Kooperation damit zumindest einen Teil dieses Marktes für die Mitglieder zurückholen. Zu diesem Zweck ist die Gründung eines neuen Unternehmens geplant, das diesen eigenständig bearbeiten soll. Der Vertrieb dafür soll neu aufgebaut, die logistischen und technischen Leistungen von der Soennecken LogServe GmbH bezogen werden.
Aufbau Direktvertrieb für Großkunden
Aus zwei Gründen sieht Benedikt Erdmann den Direktvertrieb für Großkunden (größer 500.000 Euro) als interessante Option an: „Erstens kann das Geschäft für uns ohne große Investitionen geführt werden, und zweitens besteht kein oder ein beherrschbares Wettbewerbsverhältnis zu den Mitgliedern.“ Das Logistikzentrum in Overath sei hinsichtlich der logistischen Auftragsabwicklung bereits heute grundsätzlich gerüstet, um das Direktgeschäft mit Großkunden erfolgreich betreiben zu können. Einige für das Geschäft erforderliche Zusatzleistungen wie Kostenstellen- und Schreibtischbelieferung, EDI-Anbindung (elektronischer Lieferschein u.a.) und individuelle Kundensortimente könnten zeitnah in 2010 und 2011 realisiert werden. Investiert werden müsse noch in die Vertriebsmannschaft sowohl im Key-Account-Managment als auch im Innendienst. Erdmann: „Kompetenzträger kann man kaufen – Soennecken gilt als attraktiver Arbeitgeber.“
Diese Pläne hat der Vorstand im März auf bundesweit fünf Regionaltagungen rund 200 Mitgliedern präsentiert und damit für das Projekt geworben. Grundlage aller Überlegungen sei der Kundenschutz für die Mitglieder, wie Benedikt Erdmann mehrfach bestätigte. Für Streckenhändler, die Kunden in diesem Marktsegment bedienen, wurde auf den Regionaltagungen ein umfassendes Konzept für ein abgestimmtes Vorgehen im Markt präsentiert. „Diejenigen Mitglieder, die heute im Geschäft mit Großkunden tätig sind, haben die Möglichkeit, diese quasi sperren zu lassen – das Mitglied hat immer das Vorrecht“, argumentiert Erdmann gegen Bedenken aus dem Mitgliederkreis.
Von Mitgliederseite waren kritische Fragen vor allem hinsichtlich der Abgrenzung in der Praxis zu hören – sowie verständlicherweise zur Investitionshöhe und dem Risiko. Diese Punkte sowie die Überwachung und Kontrolle durch den Aufsichtsrat sollen in der Satzung niedergeschrieben werden. Erdmann geht bei der praktischen Umsetzung von einem Potenzial von 300 Top-Unternehmen aus, die, ohne dass Mitglieder tangiert werden, bearbeitet werden können.
Der Start des neuen Geschäftsbereichs soll nach der Entscheidung der Generalversammlung erfolgen. Das Umsatzziel liegt in 2013 bei rund 30 Millionen Euro – bei einem Umsatzvolumen der Globals in Deutschland mit Großkunden von rund 750 Millionen Euro.
Vorteile für die Mitglieder
Die Soennecken-Führung verspricht sich neben profitablem Wachstum von diesem Schritt auch eine erhebliche Steigerung der Kompetenz in der gesamten Prozesskette. „Alle Leistungen und Fähigkeiten, die wir in diesem anspruchsvollen Marktsegment erwerben, stehen unseren Mitgliedern zur Verfügung. So werden alle Mitglieder über steigende Erträge und durch die Nutzung der in diesem Geschäft erworbenen Kompetenzen profitieren“, so Erdmann. Hinzu komme das Volumen- („Wachstum von LogServe sichert die Wettbewerbsfähigkeit unserer Mitglieder durch bessere Konditionen unseres Gemeinschaftsunternehmens“) sowie das Ausschüttungsargument („Wir haben das Ziel, die Ausschüttung im Jahr 2013 von bisher zwei auf drei Prozent anzuheben“).
Die Weichen für das neue Vorhaben sollen auf der Generalversammlung gestellt werden. Für Spannung ist in Dresden gesorgt.
Die sieben „goldenen Regeln“...
... im Direktgeschäft mit Großkunden, die vom Soennecken-Vorstand aufgestellt wurden:
1. Wir werben unseren Mitgliedern keine Kunden ab und machen ihnen keine Konkurrenz.
2. Das im Endverbrauchergeschäft erworbene Know-how nutzen wir für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Mitglieder.
3. Wir erwirtschaften nachhaltigen Gewinn. Dieser fließt der Soennecken eG zur Finanzierung von Leistungen für Mitglieder oder zur Steigerung der Ausschüttung zu.
4. Es gibt keine Quersubventionierung durch das Mitgliedergeschäft.
5. Durch das Großkundengeschäft haben Mitglieder nur operative Vorteile und keine Nachteile; insbesondere verknappt es nicht die für das Mitgliedergeschäft verfügbaren Ressourcen.
6. Wir bilanzieren für die Mitglieder transparent.
7. Aufsichtsrat und Vorstand beschließen gemeinsam die Grundsätze der Geschäftspolitik; diese sind bindend.