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Suche nach dem richtigen Rezept

Während die einen noch über den richtigen Mix von Online- und Offline-Aktivitäten diskutieren, haben sich andere schon auf den Weg gemacht – und sammeln erste Erfahrungen im Multichannel-Handel. Erfolgstories und Rückschläge liegen eng beieinander.

Was ist die richtige Mischung? Die Digitalisierung stellt den Handel vor neue Fragen.
Was ist die richtige Mischung? Die Digitalisierung stellt den Handel vor neue Fragen.

Dass der neue Onlineshop einmal so gut laufen würde, das hatte Daniela Isfort vom stationären Münsteraner Bürofachmarkt IBS BüroTipp nicht zu träumen gewagt: Kaum war der neue Shop live, „hagelte“ es Lob und Auszeichnungen – und der Kundenzuspruch übertraf alle Erwartungen: Zehn Bestellungen pro Tag sollten es nach einem Jahr einmal sein. Jetzt – noch nicht einmal sechs Monate nach dem Start von schulranzenwelt.de – sind es schon viermal so viele. Die Investitionen in den Aufbau des Shops haben sich damit rasend schnell amortisiert, die Geschäftsführerin plant schon die nächsten Ausbauschritte.

„Über unseren neuen Onlineshop schulranzenwelt.de können wir jetzt ganz neue Kundengruppen erschließen“, sagt Daniela Isfort vom Münsteraner Bürofachmarkt IBS BüroTipp.
„Über unseren neuen Onlineshop schulranzenwelt.de können wir jetzt ganz neue Kundengruppen erschließen“, sagt Daniela Isfort vom Münsteraner Bürofachmarkt IBS BüroTipp.

Doch was so leichtfüßig klingt, war intensive Arbeit, eineinhalb Jahre Vorlauf bis der Shop dann wirklich ans Netz ging. „Uns war immer klar, dass wir einen Online-Shop brauchen“, sagt Isfort. Als erste Orientierung für den eigenen Shop diente natürlich eine deutschlandweite Konkurrenzanalyse: Was bieten die Besten im Markt und was brauchen wir? „Wir wollten aber nicht kopieren, sondern haben uns gefragt, was wir besser machen können – im Sinne des Kunden.“ So entstand ein Anforderungsprofil, das Isfort mit einem externen Dienstleister verwirklichte. Ins Pflichtenheft diktierte sie:

• Integration von Kaufempfehlungen der Kunden,

• ausgereiftes Crossselling,

• eine breite Palette an Zahlungsmöglichkeiten und vor allem

• eine zielgruppengerechte, eigenständige und unverwechselbare Optik.

Doch mit einer Shop-Software auf aktuellem Stand war es nicht getan, nach dem Start gab es neue Herausforderungen: Schon nach wenigen Wochen überforderte die Flut der einlaufenden Bestellaufträge die Prozesse im Fachmarkt und die Logistikkapazität eines stationären Fachgeschäfts. Isfort konnte in dieser kritischen Situation auf die eingespielte Logistik ihres Mutterunternehmens, der IBS Bürosysteme zurückgreifen, welche seit Jahren mit eigenem B2B-Katalog arbeitet und aus einem eigenen 5000-Quadratmeter großen Lager liefert. „Die Bestellungen für den neuen Endkundenshop konnten zügig in die bestehenden Logistikabläufe integriert werden“, erklärt die Chefin. Neu war allein der Retourenschein, der im B2C-Versand nötig ist. Die Retourenquote liegt übrigens bei unter zehn Prozent und stellt die Mitarbeiter im Lager vor keine unlösbaren Aufgaben.

Schulranzenwelt.de: Shopwelt zugeschnitten auf die Wünsche des Privatkunden
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Eine Untersuchung der GfK gemeinsam mit Accenture lobt eine solche Multichannel-Strategie als die Ideallösung: „Händler, die das Geschäft sowohl im Stationär- als auch im Onlinekanal beherrschen und dem Kunden ein integriertes Einkaufserlebnis mit den Vorteilen beider Kanäle bieten, profitieren vom vollen Umsatzpotenzial“, heißt es in der Studie „Non-Food Multichannel-Handel 2015“.

Ein Händler, der nach dieser Maxime handelt, ist die Handelskette Libro. Die neu gestalteten Filialen setzen nicht nur bei der optischen Gestaltung das fort, was die Kunden schon im Online-Shop des Papeteristen erleben konnten: Die stationären Shops konzentrieren sich auf das Einkaufserlebnis, der Online-Shop auf die Sortimentstiefe. Die Brücke zwischen diesen „Welten“ schlägt der Computer – positioniert bei der nagelneuen Libro-Filiale in Wien-Mitte im Servicebereich.

Libro.at: Von Musik, über Videos bis zum Schulbedarf – alles aus einer Hand
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Das Beispiel IBS BüroTipp zeigt indes, dass Multichannel-Handel nicht so sehr ein Eindämmen der Abwandungsbewegungen der Stammkundschaft ins Internet ist. Die Käufer aus Münster, die stationär kaufen wollen, kommen unverändert direkt in den Laden. Gewonnen hat IBS BüroTipp über seine Online-Präsenz bei neuen Kundengruppen, bei Menschen, die generell lieber online bestellen als in ein Geschäft zu fahren – und ganz besonders bei Gruppen, die IBS BüroTipp sonst nie hätte erreichen können – vornehmlich in den ländlichen Gebieten irgendwo in Deutschland.

Claus Roeting: „Entscheidend für den Geschäftserfolg im Internet sind die professionelle Plattform und funktionierende Prozesse im Hintergrund.“
Claus Roeting: „Entscheidend für den Geschäftserfolg im Internet sind die professionelle Plattform und funktionierende Prozesse im Hintergrund.“

Offline, Online – und zurück

Die Zielgruppen mit dem richtigen Shop zu erreichen, dies beschäftigt auch den Unternehmer Udo Eßer. Er blickt auf mehr als 30 Jahre Einzelhandelserfahrung zurück. Vor sieben Jahren baute er sich zusätzlich zu dem stationären Shop unter dem Namen Office-Profishop/Udo Eßer Büroorganisation in Mönchengladbach das zweite Standbein Online-Handel auf. Der Verkauf über das Internet lief so gut, dass er den stationären Standort sogar aufgab. Seither sind Internet-Shop und Lager Dreh- und Angelpunkt des Betriebs. Doch durch die einseitige Fokussierung auf Online liegen Umsatzpotenziale brach, stellt Eßer fest – die er wieder erschließen möchte – mit einem stationären Geschäft. Es soll ein Geschäft der neuen Art sein, das die Vorteile von Offline- und Online-Handel miteinander verbindet. In seinem im Frühjahr eröffneten „Office Citystore“ in der Fußgängerzone hat er die Produkte, die früher einmal in einem Regalfach eingezwängt waren, ganz neu präsentiert: mit Lichtspots, in Glasvitrinen – selbst ein Tesafilm wurde nun zu einem Ausstellungsobjekt. Im Geschäft konnten die Kunden die Ware anschauen, anfassen, ausprobieren – und sich dann mittels Computerterminals nach Hause oder in die Firma liefern lassen, so das Konzept. „Als reiner Online-Händler haben wir festgestellt, dass viele Kunden es vermissen, ein Produkt in die Hand zu nehmen, bevor sie es kaufen“, sagt Sascha Schmidtlein, der Projektverantwortliche bei Office-Profishop. Doch das mutige Experiment erfährt derzeit einen Umbau. Es hat sich gezeigt, dass dem Kunden im reinen „Showroom“ die Kaufanreize fehlen, der klassische „Shoppingcharakter“ eines Geschäfts, das Stöbern in den Regalen, das Sich-inspirieren-lassen. Dementsprechend soll das futuristische Ladenkonzept doch wieder um einen Schritt klassischer ausgelegt werden: etwa mit deutlich mehr Laden-typischen Regalen.

Und so führt mancher Rückschlag zum erneuten Überdenken: Wie könnte meine Zukunft in Zeiten des digitalen Einkaufs aussehen? Ganz direkt betroffen sind Ladenbauer und Shopdesigner, die permanent nach zukunftsfesten Lösungsansätzen für ihre Kunden im Einzelhandel suchen. Einer, der weltweit Shops konzipiert, ist Umdasch Shopfitting. In diesem Jahr hat das Unternehmen erstmals Forschungspreise vergeben, zur Frage „Wie werden die Läden der Zukunft in einer digitalen Konsumwelt aussehen?“ Die interessantesten Antworten von sechs Hochschulen hat Mitte Oktober eine Jury ausgezeichnet. Interaktive Videoleinwände sind dabei, auf denen der Kunde schauen und bestellen kann, aber auch ganz neue Verkaufsformate. Auf dem Youtube-Kanal des Unternehmens kann man sich die Videopräsentationen der Preisträger anschauen und darauf gespannt sein, welche der hier vorgestellten Ideen in die Realität umgesetzt werden.

Der Markt wartet nicht: völlig neue Mitbewerber tauchen auf

Bei der Diskussion um die Zukunft des digitalen Shooppings darf man Wettbewerber aus angrenzenden oder gänzlich fremden Handelssparten nicht unterschätzen. Nachdem die Discounter und Drogeriemärkte Schule und Büro für ihre Aktionswochen entdeckt haben, schicken sich neue Konkurrenten an, sich ein Stück aus der „PBS-Torte“ abzuschneiden – und dabei sollte man nicht nur an Amazon denken, das in den USA schon mit seinem B2B-Shop AmazonSupply aktiv ist.

Unternehmer Claus Roeting liefert ein weiteres Beispiel hierfür. Roeting hatte bislang nur mittelbar mit Büroartikeln zu tun, denn eigentlich handelt er mit Werbeartikeln. Schon vor Jahren hatte er hierzu eine ausgefeilte Shopsoftware entwickeln lassen, dazugehörige Programme für Buchungsvorgänge sowie für die Kostenstellenbelieferung. Er arbeitet ganz ohne Lager und verkauft ausschließlich über seine Online-Plattform Crimex. Seit Oktober ist Roeting mit Crimex nach zehnmonatiger Vorbereitung im PBS-Markt aktiv. Was es dafür brauchte? Vor allem Online-Knowhow. „Es ist viel einfacher für einen Werbemittelhändler Büroartikel zu verkaufen als umgekehrt“, sieht Roeting niedrige Hürden für das Andockmanöver á la Amazon. Im ersten Schritt stehen die Lieferanten und Kunden aus dem Werbemittelgeschäft auf der Telefonliste seiner Verkaufsmitarbeiter. Aber so bald als möglich will Roeting den Kreis weiter ziehen. „Wenn der Büro-Shop erst einmal richtig läuft und wir mit dem Suchmaschinenmarketing beginnen, dann rechnen wir mit einer schnellen Amortisation der fünfstelligen Investitionskosten“, sagt Inhaber Roeting selbstbewusst. Amazon hätte beispielhaft gezeigt, wie man im digitalen Umfeld handeln müsse: „Entscheidend für den Geschäftserfolg sind die professionelle Plattform und funktionierende Prozesse.“ Hingegen sei es für ihn nicht so wichtig, ein eigenes Lager zu haben oder einen Katalog. Mit einem Logistik-Partner im Hintergrund (in diesem Fall Adveo) sei es ihm gelungen, innerhalb kurzer Zeit ein PBS-Sortiment von 22 000 Artikeln den Kunden verfügbar zu machen, und das ohne Investitionen in Immobilien oder Personal. Roeting schaut optimistisch in die Zukunft: „Auf einen Euro mehr oder weniger beim Preis kommt es gar nicht mehr an, wenn man dem Kunden wirklich alles bequem über eine Online-Plattform liefern kann.“

Crimex.com: ausbaubare Plattformstrategie für den B2B-Commerce
Crimex.com: ausbaubare Plattformstrategie für den B2B-Commerce

Dem Online-Handel von Büroprodukten prophezeien die Autoren der Studie „Non-Food Multichannel-Handel 2015“ tatsächlich eine gute Zukunft. Der Grund: Die Produkte sind nicht beratungsintensiv, die Kunden sind mehr und mehr bereit, sie über den Kanal Online zu ordern und zugleich lässt sich die Abwicklung über Online-Plattformen – verglichen etwa mit den Schwierigkeiten bei Schuhen oder Bekleidung – vergleichweise einfach realisieren. Dementsprechend glauben die Fachleute an ein kräftiges Wachstum im PBS-Multichannel-Handel bis 2015 auf bis zu 16 Prozent – das wäre mehr als eine Verdopplung gegenüber 2009. Beispiele wie IBS BüroTipp, Office-Profishop oder Crimex zeigen, es gibt durchaus ganz unterschiedliche Rezepte, um in Zeiten digitalen Handels erfolgreiches Geschäft zu machen.

www.crimex.com

www.libro.at

www.office-profishop.com

www.schulranzenwelt.de

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