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Multichannel-Händlern gehört die Zukunft

Immer mehr große Namen im deutschen Einzelhandel gehen auch im Internet auf Kundenfang. Zahlreiche aktuelle Untersuchungen unterstreichen die Notwendigkeit, Online- und Offline-Käufer gleichermaßen anzusprechen.

Dass es sich selbst Marktführer nicht mehr leisten können, das Internet als Verkaufsweg zu ignorieren, zeigt derzeit das Beispiel der europaweit größten Elektronikmarktketten Media Markt und Saturn, die den Online-Trend verschlafen haben und daher nicht mehr an die früheren Wachstumsraten herankommen.

Inzwischen wurden auf oberster Ebene die personellen Konsequenzen gezogen, und der neue Chef der Media-Saturn Holding hat bereits den Online-Start noch für dieses Jahr angekündigt. Auch die Douglas-Gruppe, zu der unter anderem die Thalia-Buchhandlungen mit ihrem PBS-Sortiment gehören, hat eine Online-Offensive mit den entsprechenden Investitionen ganz oben auf der Agenda. „Die Zukunft im Handel wird jenen Händlern gehören, die ihre Kunden sowohl stationär mit Geschäften als auch virtuell mit Shops im Internet an sich binden“, erläuterte Firmenchef Henning Kreke die Ausrichtung. Bisher macht die Handelskette weniger als fünf Prozent ihres Umsatzes online; in den nächsten zwei bis drei Jahren sollen es bereits zehn Prozent sein.

Der Grund für das besondere Engagement liegt auf der Hand – bzw. in den Zahlen. Während der gesamte Einzelhandel insgesamt gesehen mit Stagnation zu kämpfen hat, locken im Online-Geschäft zweistellige Wachstumsraten. Der Online-Handel im Non-Food-Bereich wird noch in diesem Jahr auf über zehn Prozent wachsen – davon geht beispielsweise das eWeb-Research-Center der Hochschule Niederrhein aus. Die Forscher lehnen sich aus dem Fenster und prognostizieren sogar, dass bis zum Jahr 2020 jeder fünfte Euro Umsatz im Einzelhandel online erzielt werden wird. Vor allem kommt jetzt auch die so genannte Internet-Generation in das Alter, in dem sie über genug Geld zum Konsum verfügt bzw. in ihren beruflichen Positionen als Entscheidungsträger fungiert. Für sie ist das Internet ein ganz normaler Einkaufsweg. Im vergangenen Jahr lag der Online-Anteil im Non-Food-Bereich – bei einem Wachstum von 18 Prozent auf 18,3 Milliarden Euro – bei 8,6 Prozent.

Wachstumschancen für Multichannel-Ausrichtung: Handels- und E-Commerce-Fachleute sehen das große Potenzial des Einzelhandels im Cross-Channel-Management, also der Verzahnung der Verkaufskanäle.
Wachstumschancen für Multichannel-Ausrichtung: Handels- und E-Commerce-Fachleute sehen das große Potenzial des Einzelhandels im Cross-Channel-Management, also der Verzahnung der Verkaufskanäle.

Einheitliches Kundenerlebnis ist Pflicht

„Das Internet beflügelt den stationären Handel: Immer mehr Konsumenten informieren sich online und kaufen offline. Das dadurch erzielte Umsatzvolumen in Filialen ist drei bis fünf Mal höher als der Gewinn aus E-Commerce-Käufen insgesamt.“ Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle IDC-Studie, die im Auftrag des Münchner Multichannel-Experten Hybris erstellt wurde. Der Report mit dem Titel „Unified Retailing – Breaking Multichannel Barriers“ beantwortet die Frage, wie Einzelhändler den Vertrieb und die Kundenbindung durch eine optimierte Multichannel-Strategie und Kundenservice verbessern können. Ivano Ortis, Research Director, IDC Retail Insights, definiert den Zielkunden der Zukunft – den so genannten Omnichannel-Käufer. „Ein Omnichannel-Käufer ist der erweiterte Multichannel-Konsument, sprich: jemand, der alle Kanäle wie Ladengeschäfte, Kataloge, Callcenter, Internet und Mobiltelefone nutzen will. Den gilt es zu erreichen, denn es zeigt sich, ein Multichannel-Käufer gibt durchschnittlich 15 bis 30 Prozent mehr aus als Kunden, die nur einen einzigen Kanal nutzen. Omnichannel-Käufer investieren sogar über 20 Prozent mehr als Multichannel-Käufer, zeigen eine starke Markenloyalität und beeinflussen ihr Umfeld positiv, damit es ebenfalls Stammkunden generiert.“

Um den Absatz in der Zielgruppe der Omnichannel-Käufer zu erhöhen, empfiehlt IDC Einzelhändlern „ein einheitliches, konvergierendes Channel-Konzept zu implementieren sowie die vollständige technische und prozessbezogene Integration aller Verkaufskanäle durchzuführen.“ Am Ende stehe eine einzige, logische Betrachtungsweise des Käufers, der Bestellung und des Lagerbestands – und zwar unabhängig vom Vertriebskanal. In die gleiche Richtung zielt auch eine aktuelle Studie der Universität St. Gallen zum Thema Cross-Channel-Management, also der Verzahnung der Verkaufskanäle. Eine wichtige Erkenntnis der Studie: Die Individualisierung von Lebensstilen und der Drang zur Flexibilisierung im Alltag haben dafür gesorgt, dass sich Konsumenten heute zwischen Online- und Offline-Angeboten spontan entscheiden möchten. Der so genannte Cross-Selling-Kunde bewege sich zwischen beiden Welten und nutze Online und Offline zu Informations- wie Kaufzwecken gleichermaßen.

Wie die PBS-Branche das Thema sieht, erfahren Sie in den Statements.

www.hybris.de

www.hybris.com/mcreport

www.unisg.ch

www.hs-niederrhein.de

Nachgefragt ...

... bei Marc Bürkle

Immer mehr große Namen im deutschen Einzelhandel wollen jetzt verstärkt auch im Internet Umsätze generieren. Wie beurteilen Sie die Internet-Affinität bei Büro- und PBS-Sortimenten?

Marc Bürkle, Geschäftsführer Commerce Connector GmbH in Stuttgart
Marc Bürkle, Geschäftsführer Commerce Connector GmbH in Stuttgart

Büro- und PBS-Sortimente eignen sich aus meiner Sicht sehr gut für E-Commerce. Im privat-konsumtiven Bereich stehen wir sicher noch am Anfang. Ich erwarte ein dynamisches Wachstum. Spannend wird sein, wie es den Händlern nachhaltig gelingt, die Warenkorb-Werte auf ein vernünftiges Niveau zu bekommen. Der Einstieg in den E-Commerce ist für stationäre Händler eine echte Herausforderung.

Jüngste Studien unterstreichen, dass das Internet den stationären Handel beflügeln soll. Wie ist Ihre Meinung? Was sind die wichtigen Parameter der so genannten Multichannel-Strategie?

Ausländische Beispiele wie BestBuy zeigen, wie man die Vorteile von Online und Offline gemeinsam nutzen kann. In Deutschland ist es bisher nur wenigen Händlern gelungen, die Online- und Offline-Aktivitäten gut zu verzahnen und echte Mehrwerte für den Kunden zu entwickeln. Wichtige Parameter sind u.a. die Preisstrategie sowie die ideale Vernetzung der beiden Einkaufswelten.

Was gilt es besonders zu beachten, wenn ein PBS-Händler Traffic auf seine Website bekommen und kaufende Kunden gewinnen will?

Eine Schwierigkeit ist, dass der Wettbewerb in Preissuchmaschinen und in Google immer härter wird. Stationäre Händler haben sicher den Vorteil, dass sie über bestehende Kundenbeziehungen verfügen. Diese gilt es als Basis zu nutzen und von den Online-Aktivitäten zu überzeugen.

Eine zentrale Herausforderung im Internetgeschäft besteht darin, einen einmal kaufenden Kunden zu einem Stammkunden zu machen. Welche Möglichkeiten gibt es?

Aus meiner Sicht sind die Erfolgsfaktoren reibungslose Prozesse, ein sehr breites Sortiment (Long Tail), Cross-Selling, schnelle Lieferung sowie unkomplizierte Reklamationsabwicklung und Vertrauen. Ich glaube, dass der Preis in der Bürobranche oft überbewertet wird und nicht der entscheidende Faktor ist.

Wird die weitere Verbreitung des iPad bzw. Tablet-PCs das E-Commerce-Geschäft verändern?

Shops werden zukünftig sicher in Abhängigkeit ihrer Zielgruppe verschiedene Interfaces bzw. Storefronts anbieten bzw. anbieten müssen. Im Segment Bürobedarf haben ein iPad- oder ein Facebook-Shop noch keine Relevanz, da Kunden am PC oder Notebook Bürobedarf bestellen. In stark privat-konsumtiven Sortimenten wie zum Beispiel Mode hingegen wird die Bedeutung schneller zunehmen.

www.commerce-connector.com

Meinungen aus dem Handel:

Im Gespräch mit Andreas Bensegger (Bensegger in Rosenheim) und Thomas Scherer (4Office in Groß-Gerau):

Jüngste Studien unterstreichen die Notwendigkeit, Online- und Offline-Käufer gleichermaßen anzusprechen. Wie sind Ihre Erfahrungen?

Scherer: Wichtig ist es, dass man seine Zielgruppe genau kennt. Auf diesem Wissen sollte das Angebot abgestimmt werden. Man kann nicht davon ausgehen, dass das gleiche Konzept eines stationären Händlers im Internet aufgeht. Es muss darauf geachtet werden, dass das Online-Angebot in das Konzept des stationären Angebots passt. Für den Online-Käufer sind die Bequemlichkeit und der Preis wichtig. Bei Büchern spielt die Bequemlichkeit eine vorwiegende Rolle zur Kaufentscheidung und bei Tinte und Toner überwiegend der Preis. Wir haben uns vor vier Jahren entschieden, uns vom stationären Standort zu trennen und nur noch den Weg über den Online-Verkauf zu gehen.

Bensegger: Wir versuchen schon seit längerer Zeit, auch unsere privaten Verbraucher über unsere Website an unser Unternehmen zu binden. Das setzt laufend interessante Themen voraus, die über die normalen Informationen hinausgehen. Den Kunden unserer Papeterie-Standorte über das Web einen Anreiz zu bieten, uns im stationären Handel zu besuchen, ist nicht leicht. Durch verschiedene Ansätze wie laufend aktualisierte Inhalte, Empfehlungen und Bereiche, die unsere Kunden online ordern und dann an den Standorten abholen können, versuchen wir, dieses Thema zu forcieren. Ehrlich gesagt – das ist noch ein langer Weg für uns! Aber die Entwicklung wird sich definitiv so fortsetzen ... .

Welchen Stellenwert hat das Internet in Ihrem Kundenbearbeitungskonzept und wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Scherer: Das Internet hat bei uns oberste Priorität. Aus diesem Grund haben wir auch das traditionelle Katalogmarketing mit unserem Online-Shop synchronisiert. Unsere Kunden können in unseren interaktiven Katalogen blättern und suchen wie in einem Print-Katalog und bequem bestellen. Somit ist der Kreislauf des Kataloges mit den Vorzügen eines Online-Shops verknüpft. Wir erreichen dadurch eine viel größere Reichweite in unseren Vertriebskanälen. Da die Produkte in der Bürowirtschaft überwiegend nicht sehr emotional sind, verspürt der Kunde auch nicht den Wunsch, das Produkt vor dem Kauf anzufassen. Die Bequemlichkeit zu einem attraktiven Preis und die Übersichtlichkeit stehen im Vordergrund. Die Wachstumschancen sind im Online-Handel viel größer als im stationären Handel, gerade durch die Kostenstruktur.

Bensegger: Der Stellenwert ist derzeit noch gering, aber spürbar wachsend. Immer mehr Kunden nutzen unsere Website und die angebotenen Möglichkeiten, um Ware, oft auch zum Beispiel Stempel im Stempelshop, vorzubestellen und dann abzuholen. Der Kunde spart sich durch die Vordisposition Zeit, und wir freuen uns über jeden Besucher – denn eventuell können wir Zusatzverkäufe beim persönlichen Besuch erreichen. Wir experimentieren gerade mit verschiedenen Social Networks und werden sehen, ob wir dadurch eine bessere Kundenansprache eines Teils unserer Kunden erreichen können.

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