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Tabu-Thema rechtzeitig angehen

Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland pro Jahr über 70 000 Unternehmensnachfolgen. Das Lösen eines Nachfolgeproblems ist dabei oft ein schwieriger Prozess, bei dem externe Berater den Händler unterstützen können.

„Das größte Problem ist doch: Die Leute haben oft keine Traute, darüber zu sprechen“, ist sich Unternehmensberater Günter E. Schmitt von der Personal- und Unternehmensberatung Heads 4 Solutions sicher. Statt sich rechtzeitig Gedanken zu machen und mit anderen, etwa den Beratern der Industrie- und Handelskammern, zu sprechen, werde das Thema geradezu tabuisiert. Kein Wunder, denn wer gesteht sich schon gerne ein, zum „alten Eisen“ zu gehören. Eigentlich sollte die Klärung der Frage ein festgeschriebener Bestandteil der Unternehmensstrategie sein – aber viele Fachhandelsgeschäfte versuchen, ohne solche Richtlinien auszukommen. „Die meisten Händler schieben das Thema lange vor sich her. Aber allerspätestens wer 55 oder älter ist, muss sich schleunigst mit der Nachfolgefrage beschäftigen“, rät Schmitt, der im Laufe seiner Beraterkarriere schon zahlreiche Unternehmen bei der Nachfolgeplanung betreut hat. Dabei gibt es letztendlich drei Varianten: Die auf den ersten Blick einfachste Möglichkeit ist die familieninterne Nachfolge. Ebenso denkbar ist der Verkauf des Betriebs an ein anderes Unternehmen oder einen Mitarbeiter (Management-Buy-Out). Schließlich gibt es auch noch die Alternative, die Unternehmensführung an ein familienexternes Management zu übergeben.

„Für die Bewertung und die Suche eines für die Firma adäquaten Käufers sollte ein versierter Berater hinzugezogen bzw. beauftragt werden. Dieser sollte über langjährige Erfahrung als Unternehmensmakler verfügen und die Usancen des Marktes kennen“, rät auch Claus-Peter Barfeld, Geschäftsführer der Mülheimer Unternehmens- und Managementberatung Barfeld & Partner.

Bei allen Verhandlungen sei Diskretion ein entscheidender Faktor, meint Berater Claus-Peter Barfeld.
Bei allen Verhandlungen sei Diskretion ein entscheidender Faktor, meint Berater Claus-Peter Barfeld.

Der gesamte Prozess, der zu einer erfolgreichen Nachfolgeregelung führt, kann dabei durchaus zwei bis drei Jahre dauern. Das hängt nicht zuletzt ab von der Art des Handelsgeschäfts, der Lage und dem Sortiment. Derzeit, das hat Günter E. Schmitt beobachtet, sei die Situation speziell im Handel durch die Wirtschaftskrise angespannter geworden. Es werde zunehmend schwerer, Leute zu finden, die in ein Geschäft investieren wollen (oder können). Eine Möglichkeit dafür ist die bundesweite Online-Unternehmensbörse Nexxt-Change. Die Gemeinschaftsinitiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, der Kreditanstalt für Wiederaufbau, des Deutschen Industrie- und Handelskammertags und anderer Institutionen will Unternehmer, die vor dem Generationswechsel stehen und keinen Nachfolger innerhalb der eigenen Familie oder der Mitarbeiterschaft finden, und potenzielle Übernehmer zusammenbringen.

Die andere Variante ist das Einschalten eines externen Beraters, der die komplette Vorarbeit übernimmt: „Er sucht aufgrund seiner langjährigen Erfahrung den ,richtigen‘ Kaufinteressenten, der übrigens auch in der Lage sein muss, den Kaufpreis ohne oder mit Banken zu finanzieren“, erklärt Claus-Peter Barfeld. „Der Berater erstellt mit dem Verkäufer ein ausführliches Exposé, das er dann in einem persönlichen Gespräch dem Kaufinteressenten zur Einsicht überlässt.“ Danach komme es zu ersten diskreten Vorverhandlungen. Diese würden in der Regel erst einmal zwischen Makler und Kaufinteressenten geführt. „Erst im nächsten Schritt“, so Barfeld weiter, „kommt es dann zwischen Verkäufer und Kaufinteressenten zu einer persönlichen Begegnung, an der selbstverständlich der Unternehmensmakler teilnimmt.“ Diskretion sei dabei entscheidend: „Erst wenn feststeht, dass ein echtes Kaufinteresse vorliegt, werden weitere Informationen ausgetauscht“, insistiert Claus-Peter Barfeld. Sonst bestehe die Gefahr, zu früh Informationen preiszugeben, die vom Kaufinteressenten auch für andere Zwecke genutzt werden können.

„Die Leute haben oft keine Traute, darüber zu sprechen“, glaubt Unternehmensberater Günter E. Schmitt.
„Die Leute haben oft keine Traute, darüber zu sprechen“, glaubt Unternehmensberater Günter E. Schmitt.

Doch mit der Gesprächsanbahnung ist die Aufgabe des Beraters längst nicht erledigt: „Danach gibt es in der Regel weitere Gesprächstermine wie Firmenbesichtigungen, Einsicht in sonstige Unterlagen, Stichwort: Due Diligence, bei denen der Unternehmensmakler weiterhin eingeschaltet werden sollte“, führt Barfeld weiter aus. Entwickeln sich die Verhandlungen positiv, kommt es zu konkreten Vertragsverhandlungen.

„Auch dabei bleibt eine externe Beratung sinnvoll“, argumentiert Günter E. Schmitt, es gebe einfach zu viele Fragen im Zuge einer Unternehmensübernahme, mit denen sich Händler logischerweise nie oder nur zu selten beschäftigen. Ein Außenstehender mit dem entsprechenden Know-how kann ganz anders mit der Sache umgehen und findet vielleicht Möglichkeiten, auf die der Inhaber nicht kommen würde. Der Berater kümmert sich dabei auch um die Einschaltung von Wirtschaftsprüfern und Anwälten, moderiert die Vertragsverhandlungen, deren Grundlage die Verträge sind, die beispielsweise vom Steuerberater des Verkäufers aufgesetzt werden. Das stellt besondere Anforderungen an Berater. „Neben dem fachlichen Wissen sind oft auch beinahe therapeutische Fähigkeiten gefragt“, so Schmitt. Gerade weil bei den Senior-Unternehmern immer noch viel Herzblut im Lebenswerk stecke, gestalteten sich die Verhandlungen oft schwierig – beispielsweise dann, wenn ein Mitarbeiter den Betrieb weiterführen will und andere Vorstellungen als der Noch-Inhaber hat. „Vieles im Leben ist nicht logisch, sondern psychologisch“, kommentiert Schmitt solche nachvollziehbaren Schwierigkeiten, die meist erst zu einem relativ späten Zeitpunkt im Verkaufsprozess auftreten.

Die traditionsreiche Schreibwarenhandlung L.B. Müller in Darmstadt (gegründet 1871) ist seit Anfang des Jahres geschlossen. Nur für eins seiner drei PBS-Geschäfte konnte Inhaber Hans-Joachim Müller einen Nachfolger finden.
Die traditionsreiche Schreibwarenhandlung L.B. Müller in Darmstadt (gegründet 1871) ist seit Anfang des Jahres geschlossen. Nur für eins seiner drei PBS-Geschäfte konnte Inhaber Hans-Joachim Müller einen Nachfolger finden.

Der Verkauf des Geschäfts kann dabei klassisch durch Übertragung von Gesellschaftsanteilen (als „Share Deal“) oder durch die Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter und Verbindlichkeiten (als „Asset Deal“) realisiert werden. Beide Varianten bieten Vor- und Nachteile. Welche Variante die günstigere für alle Beteiligten ist, ist vom Einzelfall abhängig.

Ein weiteres Problem im Vorfeld einer Unternehmensübernahme ist die Frage des Unternehmenswertes. Schmitt: „Da klaffen Wunsch und Realität bei den Inhabern, die ihr Geschäft oft jahrzehntelang betrieben haben, oft weit auseinander.“ Und so ernüchternd es auch klingt: Unabhängig von allen Fakten und Details sei ein Unternehmen immer nur so viel wert, wie andere Menschen dafür bereit sind zu zahlen. In der Praxis sei die Situation in vielen Fällen aber so, dass der Händler froh sein kann, wenn beim Verkauf die Ware und bestehende Verpflichtungen übernommen werden und vielleicht ein kleiner Gewinn erzielt wird. Als Alternative bleibt sonst nur die Geschäftsaufgabe – für die meisten Händler wohl die mit Abstand bitterste Variante.

Worüber sich Unternehmens-Senioren klar werden müssen:

• Will ich schon abgeben und an wen?

• Habe ich die Übergabe rechtzeitig geplant?

• Wie sichere ich mein Lebenswerk?

• Wie steht die Familie dazu?

• Habe ich einen geeigneten Nachfolger in der Familie?

• Kenne ich die unterschiedlichen Nachfolgemodelle?

• Wie finde ich einen geeigneten Nachfolger?

• Wer kann mir dabei helfen?

• Stehen alte Konflikte im Weg?

• Wie ermögliche ich meinem Nachfolger einen guten Start?

• Habe ich alle Aspekte der Erbfolge berücksichtigt?

Der DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge dokumentiert eine problematische Situation.
Der DIHK-Report zur Unternehmensnachfolge dokumentiert eine problematische Situation.

Immer mehr Unternehmen suchen einen Nachfolger

So lautet das Fazit des jüngsten Reports des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) zur Unternehmensnachfolge aus dem Jahr 2009. Dem Report liegen 23 000 Gespräche zur Unternehmensnachfolge zugrunde – geführt von den Industrie- und Handelskammern sowohl mit Senior-Unternehmern, die ihren Betrieb übergeben wollen, als auch mit Existenzgründern, die eine Firma zur Übernahme suchen. Dabei zeigte sich, dass allein aus Gründen der Finanzierung eine erfolgreiche Nachfolgeregelung bei 17 000 Unternehmen mit rund 160 000 Beschäftigten gefährdet ist. DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann befürchtet, dass sich die Nachfolge-Problematik in Deutschland weiter verschärfen werde: „Gewinn- und Umsatzeinbrüche durch die Krise schmälern den Unternehmenswert. Die Preisvorstellungen von Übergeber und Nachfolger fallen dadurch künftig wieder weiter auseinander. Zudem wird die demografische Entwicklung die Suche nach einem geeigneten Nachfolger schwieriger machen: Einer steigenden Zahl von Übergebern steht eine deutlich sinkende Zahl von potenziellen Nachfolgern gegenüber.“ So haben im Jahr 2008 dem Report zufolge die IHK 23 800 Gespräche zur Unternehmensnachfolge geführt – sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Darunter waren 4800 Beratungsgespräche mit Senior-Unternehmern, die ihren Betrieb abgeben möchten (plus sieben Prozent), sowie mit 7900 Existenzgründern, die einen Betrieb zur Übernahme suchen (plus 23 Prozent). Neben Unsicherheiten in Sachen Erbschaftssteuer sei vor allen Dingen die Finanzierung ein Problem. Ebenfalls alarmierend: Gerade einmal ein Viertel der Unternehmer hat die zur Fortführung des Betriebes wichtigsten Unterlagen für Vertrauenspersonen griffbereit zusammengestellt. In diesen so genannten „Notfallkoffer“ gehören laut DIHK Vollmachten, Vertretungsplan, Informationen zu Kunden- und Lieferantenstrukturen und eine Dokumentenmappe mit Bankverbindungen, Passwörtern sowie ein Testament. Bei Unfall oder Tod des Geschäftsführers droht dem Unternehmen bei mangelnder Vorbereitung die Führungslosigkeit.

Die vollständige Studie kann im Internet unter www.dihk.de/inhalt/download/nachfolge

report_09.pdf kostenlos heruntergeladen werden.

www.barfeld.de

www.dihk.de

www.nexxt-change.org

www.spundpartner.de

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