Kommunikation auf Augenhöhe
- 29.09.2011
- Top-Themen
- red.
Ob Web-Visitenkarte, Online-Marktplatz oder Kommunikationsplattform – das Internet ist längst fester Bestandteil der Geschäftswelt. Für den Handel gehört die Präsentation des eigenen Unternehmens ebenso zum Standard wie der Vertrieb via Webshop, der für viele Unternehmen aufgrund realer Erlöse im Fokus steht. Das Internet löse zwar nicht den persönlichen Kontakt ab, „die Bedeutung aber nimmt von Jahr zu Jahr zu“, findet Birgit Brauch, Geschäftsführerin von Büroorganisation Brauch. Das Thema E-Commerce hat beim Lünener Unternehmen eine hohe Bedeutung. „Zwischen 45 und 50 Prozent der Aufträge gehen mittlerweile online ein“, berichtet Brauch. Eine Entwicklung, die auch Fachhandelsunternehmen wie das Bürocenter Butzbach, Office360 oder Nösse Datentechnik beobachten: „Wir rechnen mit einer Verschiebung vom stationären zum Online-Geschäft“, sagen die Geschäftsführer vom Bürocenter Butzbach, Annette und Andreas Chrometz, unisono. Den Trend bestätigt der Versandhandelsverband BVH, der in diesem Jahr erstmals mit einem Umsatz von mehr als 20 Milliarden Euro in Deutschland beim Online-Handel rechnet.
„E-Commerce gewinnt an Bedeutung, dient bei uns allerdings hauptsächlich als Absatzweg innerhalb bestehender Kundenbeziehungen“, betont dann auch Katharina Tempel, Marketingleiterin bei Office360 in Hannover. Auch bei Nösse Datentechnik liegt der Schwerpunkt auf der persönlichen Betreuung. Ihren Kunden bieten die Unternehmen zusätzlich die ganze Bandbreite elektronischer Einkaufsmöglichkeiten an, vom einfachen Shop bis hin zur kompletten E-Procurementlösung mit Kostenstellen-Abrechnung und Order-Management.
Um bestehende aber auch neue Kunden zu erreichen, Themen zu forcieren und sich als Spezialist zu positionieren, braucht es jedoch mehr: „Wer im Internet nicht adäquat vertreten ist, kommt im Geschäftsleben praktisch nicht vor“, meint Katharina Tempel. Für das Bürocenter Butzbach diene die Website als „Informationsplattform und Visitenkarte“, erklären Annette und Andreas Chrometz. Im World Wide Web präsentiert sich das Bürocenter Butzbach freundlich und kompetent. Es gibt Informationen über Produkte und Leistungen, zudem werden Themen wie Gesundheit oder Nachhaltigkeit am Arbeitsplatz aufgegriffen. Zusätzlich gibt es Kontaktmöglichkeiten und einen Blog, in dem die User auf Interessantes rund ums Thema Büro hingewiesen werden.
„Die Internet-Präsenz ist meist der erste visuelle Kontakt zu unserem Unternehmen“, sagt André Nösse, Geschäftsführer des Leverkusener Systemhauses Nösse Datentechnik. Bei der Konzeption der Website habe neben einem professionellen Eindruck und Informationen zum Leistungsspektrum auch die „persönliche Note“ als Anforderung im Vordergrund gestanden. Wichtig sei es gewesen, „ein klares Profil herauszuarbeiten“, um zu zeigen wer man sei und was man anbiete, berichtet Nösse.
„Die Website transportiert unser Image und trägt entscheidend zur Markenbildung bei“, sagt auch Katharina Tempel. Deshalb seien Optik und Corporate Identity, aber auch die Inhalte und Aktualität wichtig. Neben einer webkonformen Programmierung seien vor allem die beiden letztgenannten Punkte wichtig, Insbesondere, wenn es um das Thema Suchmaschinen-Optimierung geht. „Die beste Website nützt nichts, wenn Sie nicht gefunden wird“, weiß die Marketingleiterin. Immer wieder überarbeite man Inhalte, passe Meta-Tags an und achte auf Namen und Kurzbeschreibung der Seiten.
Über kompetente Informationen hinaus „erwarten Nutzer zunehmend interaktive Elemente“, hat Katharina Tempel beobachtet. Interaktive Formulare, Kommentarmöglichkeiten, aber auch Manuals oder Fernwartungstools, werden gut akzeptiert und als moderne Kommunikationsmöglichkeit angesehen, erklärt die Marketingleiterin. Weitere Trends sieht man bei Bürocenter Butzbach oder Brauch zudem in der Einbindung von Videos und White-Papers, die Produkte lebendiger und anschaulicher machen oder komplexe Sachverhalte erklären. Interessant sei auch die Möglichkeit, Produkte oder Dienstleistungen im Web bewerten zu lassen. Chancen ergeben sich zudem durch die steigende Verbreitung von Smartphones und Tablet-PCs, findet Nösse. „Eine Optimierung der Website auf diese Geräte, eventuell sogar eine eigene App könnten ein Alleinstellungsmerkmal sein“, findet er.
Social Media wird Standard
Über die klassische Kommunikation via Website und Shop hinaus spielen zunehmend Social-Media-Kanäle eine Rolle. Die Mitgliedschaft in sozialen Netzwerken ist vor allem bei den Jüngeren Standard. Laut Bitkom sind 76 Prozent aller Internetnutzer Mitglied mindestens einer Online-Community. Bei unter 30-Jährigen sind sogar 96 Prozent im Social Web aktiv. Neben dem Dialog mit den Kunden bieten die Plattformen inzwischen auch die Möglichkeit, Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen. Eine Umfrage der Ebay-Tochter Afterbuy ergab, dass 66 Prozent der Facebook-Nutzer sich vorstellen können, dort einzukaufen. Bedingung sei allerdings, dass der Einkauf schnell, sicher und einfach ist. Die Unternehmensberatung Mücke Sturm & Company schätzt das Umsatzpotenzial in Social-Media-Kanälen bis 2014 auf etwa 12 Milliarden Euro.
Betreiber von Online-Shops müssten jedoch neue Strategien finden, die neben der technischen Integration auch die Interaktion mit den Kunden berücksichtigen.
Doch welche konkreten Chancen bieten Plattformen wie Xing, Facebook und Co überhaupt dem Handel? „Social Media bezeichnet interaktive Kommunikationsprozesse, die über verschiedene Plattformen des Internets ermöglicht werden“, erklärt Ralf Bürkle, Director of Communications and Market Intelligence an der Mannheim Business School. „Social Media stattet Kunden mit einer völlig neuen Machtposition aus. Sie tauschen sich aus, schließen sich zusammen und machen ihre Meinung schnell und weltweit publik.“ Für Händler seien diese Anwendungen ein neuer und in seiner Bedeutung steigender Kommunikationskanal.
„Wer eng an seinen Zielgruppen sein will“, sagt Bürkle, „dem bietet Social Media eine breite Palette an Möglichkeiten.“ Diese Chancen sieht man auch im Bürocenter Butzbach, wo man längst Xing, Facebook und Twitter zur Kommunikation mit den Kunden nutzt: „Die kommende Generation wächst mit diesen Plattformen auf und wird sie nutzen, wie wir heute einen Supermarkt“, argumentiert Annette Chrometz. „Wer heute dabei ist, legt den Grundstein für die Zukunft“, ergänzt ihr Mann Andreas. Irgendwann würden Büro- und Schulbedarf, Verbrauchsmaterialien und Artikel aus einigen Bereichen der Bürotechnik überwiegend online verkauft. Wichtig sei es jedoch, nicht in blinden Aktionismus zu verfallen, sondern alle Medien, auch Printmedien wie Briefbögen oder Flyer, als Gesamtkonzept zu betrachten.
Die Bedeutung sozialer Netzwerke „wird stetig wachsen“, glaubt auch Birgit Brauch, die ebenfalls auf Facebook, Xing und Twitter aktiv ist. Die Frage sei, „welche Plattformen soll ich als Händler nutzen.“ Je nach Ausrichtung bieten sich unterschiedliche Kanäle an. „Ein Einzelhändler wird sich auf anderen Plattformen tummeln als ein Streckenhändler“, so Birgit Brauch.
Dies bestätigt sich beim Leverkusener Systemhaus Nösse Datentechnik, wo man sich durchaus mit Facebook und Twitter beschäftigt. Vertreten ist Nösse dort aber noch nicht. Mittelfristig sehe man diese Plattformen „als Ergänzung zum klassischen Online-Marketing“, meint André Nösse. Das Systemhaus ist jedoch mit einem Profil auf der Business-Plattform Xing und der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu vertreten, wo man nicht nur beim Networking, sondern auch bei der Mitarbeitersuche gute Erfahrungen gemacht hat.
„Social Media ist ein vollwertiges Marketinginstrument, das nicht ‚nebenbei’ verwendet werden kann“, findet jedenfalls Katharina Tempel. „Erfahrungen anderer Unternehmen zeigen, dass die Gefahren, die von schlechten Kritiken und misslungenen Kampagnen ausgehen, beträchtlich sind.“ Mit Ausnahme von Xing, wo auch Office360 mit einigen Personen vertreten ist, treffe man die anvisierte Zielgruppe derzeit zumindest noch nicht im Social Web.
„Die Bedeutung von Social Media für den Handel wird zunehmen, eine Präsenz beispielsweise auf Facebook ähnlich selbstverständlich sein wie heute die Webseite“, ist sich jedenfalls Ralf Bürkle sicher. „Wer sich mit dem Thema befasst, sollte es allerdings umfassend und nachhaltig tun.“ Denn: „Ohne eine Strategie kann kein Unternehmen sinnvoll Social Media einsetzen“, weiß der Fachmann. Zu Beginn sollte man sich daher einige Fragen stellen: Mit welchem Ziel möchte ich Social Media nutzen? Welche Anwendungen machen Sinn? Wo treffe ich meine Zielgruppe? Welchen Mehrwert kann ich meiner Zielgruppe bieten? Und habe ich überhaupt Zeit und Interesse, das Thema ernsthaft zu betreiben? „Wer ungeplant oder nur halbherzig an die Sache herangeht, tut sich keinen Gefallen und schadet im schlimmsten Fall sogar seinem Geschäft“, weiß Bürkle.
„Erfolgsfaktoren sind, den richtigen Mix von Social-Media-Anwendungen zu finden, Synergien zwischen den verschiednen Plattformen zu nutzen, eine kontinuierliche und offene Kommunikation zu pflegen, kreativ zu sein und Geduld zu haben.“
www.buero-brauch.de, www.buerocenter-butzbach.de, www.noesse.de, www.office360.de
Nachgefragt ...
... bei Marc Bürkle, Geschäftsführer Commerce Connector:
Nutzt der Handel die Chancen, die klassische E-Commerce-Kanäle bieten, vollständig aus?
Wenn man die Online-Shops im PBS-Umfeld mit anderen Branchen vergleicht, ist auf jeden Fall noch Potenzial vorhanden. Insbesondere bei Suchmaschinen-Optimierung, Content-Qualität, Usability sowie Cross- und Up-Selling sind andere Branchen weiter.
Social-Media-Plattformen bieten viele Möglichkeiten, mit Kunden zu interagieren. Inwieweit sollten sich Händler auch mit den Verkaufsmöglichkeiten dieser Plattformen befassen?
Die Plattformen bieten gute Möglichkeiten für einen Endkunden-Dialog auf Augenhöhe. Bevor sich Händler im PBS-Umfeld jedoch mit dem Vertrieb über Facebook und Co auseinandersetzen, würde ich Social-Elemente wie Produkt-Ratings und Reviews in die Online-Shops integrieren, um den Content in den Shops zu verbessern und die Conversion Rates zu erhöhen. Aus meiner Sicht besteht noch keine Relevanz für den Vertrieb von Büroartikeln über Facebook und Co.
Welche Möglichkeiten werden diese Plattformen dem Handel künftig bieten, reale Umsätze zu generieren?
Man sollte überlegen, wie man Inhalte und Technologien der Plattformen nutzen kann, um mehr Produkte zu verkaufen. Der Verkauf muss nicht direkt auf den Plattformen erfolgen. Hierzu ein paar Beispiele: Leitz hat in seinen Shop „Leitz create!“ eine Facebook-Connect-Schnittstelle integriert, mit der man Bilder seiner Facebook-Freunde auf einen Ordner drucken kann. Euroffice in Großbritannien hat einen Video-Kanal auf Basis von YouTube entwickelt, in dem regelmäßig neue Produkte vorgestellt werden. Best Buy in den USA platziert QR-Codes am PoS neben Produkten. Endverbraucher können so im Laden Videos und Produktbewertungen über ihr Smartphone abrufen.
Welche Aktivitäten sollten Händler also konkret forcieren?
Ich bin grundsätzlich Gegner von Verkaufsaktionen im Online-Handel, bei denen man Gummibären und Kaffee als Zugaben verschenkt. Aus meiner Sicht sollte man sich auf andere Parameter konzentrieren: ein breites Angebot durch Long-Tail-Konzepte, Ausbau der Content-Qualität, Integration von Produktreviews und Ratings auf Produktseiten sowie der Aufbau von Vertrauen und Service.
Ihre Meinung ist uns wichtig:
Aufgrund der steigenden Bedeutung befassen wir uns in den kommenden Ausgaben von BusinessPartner PBS verstärkt mit den Online-Aktivitäten des Fachhandels – von der Optimierung der eigenen Online-Präsenz bis hin zu Chancen und Risiken verschiedener Social-Media-Plattformen. Sie haben bereits Erfahrungen gesammelt, die Sie mit Kollegen teilen wollen? Schreiben Sie an meinung@pbs-business.de.