Konjunktur aktuell: Preisschock gefährdet Erholung der deutschen Wirtschaft
- 23.03.2022
- Monitor
- red.
Das IWH prognostiziert vor diesem Hintergrund, dass das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2022 um 3,1 Prozent zunehmen wird und der Verbraucherpreisindex um 4,8 Prozent höher liegt als vor einem Jahr. Der Angriff Russlands auf die Ukraine habe die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa drastisch verschlechtert, heißt es aus Halle. Die Preise für Rohstoffe und Energie und hier besonders für Erdgas sind stark gestiegen, die Sanktionen bringen den Russlandhandel, der über Energielieferungen hinausgeht, nahezu zum Erliegen, und europäische Aktienkurse haben deutlich an Wert verloren. Im Fall eines Stopps der russischen Gaslieferungen wäre für Deutschland mit einer scharfen Rezession vor allem im verarbeitenden Gewerbe zu rechnen, so die Analysten. Wenn, wie hier unterstellt, Gas weiter geliefert werde, sei der konjunkturelle Haupteffekt der Krise der Energiepreisanstieg, der zu Realeinkommenseinbußen der privaten Haushalte und zum Verlust an Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen führt. Auch würden Wertschöpfungsketten, die durch die Ukraine oder Russland führten, zerrissen. Der in den meisten Weltregionen schon vor Kriegsbeginn hohe Inflationsdruck verstärke sich somit weiter.
Die deutsche Konjunktur trifft der Krieg in einer Erholungsphase, nachdem die Winterwelle der Pandemie den privaten Konsum und die wirtschaftliche Aktivität im Schlussquartal 2021 noch hatte schrumpfen lassen. „Auch wenn die Pandemie noch keineswegs vorbei ist, dürfte die Erholung mit der Aufhebung vieler zur Pandemiebekämpfung erlassener Restriktionen im März an Schwung gewinnen“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. Denn die privaten Haushalte werden einen Teil ihrer während der Pandemie angesammelten Ersparnis in den kommenden Quartalen wohl zusätzlich verausgaben, was laut IWH insbesondere den Dienstleistern zugutekommt. Die Produktion dürfte im zweiten Quartal deshalb recht kräftig expandieren.
Freilich müssten die Konsumenten das Geld auch dazu verwenden, die höheren Lebenshaltungskosten zu bestreiten, denn die ohnehin schon starke Preisdynamik in Deutschland werde, so das IWH, durch den russischen Krieg noch einmal erhöht. „Die Teuerung, Ausfälle von Exporten nach Osteuropa und eine allgemeine Verunsicherung sind Kanäle, über die der Krieg gegen die Ukraine die deutsche Konjunktur dämpft, was sich in der zweiten Jahreshälfte in deutlich niedrigeren Zuwachsraten der Produktion niederschlägt“, so Holtemöller. Auch der Aufbau der Erwerbstätigkeit verlangsame sich im Jahresverlauf 2022 und komme aufgrund der starken Mindestlohnerhöhung gegen Ende des Jahres nahezu zum Stehen. Die hohen Energie- und Rohstoffpreise lassen den deutschen Leistungsbilanzsaldo nach Ansicht der Analysten deutlich von 6,9 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2021 auf 5,4 Prozent im Jahr 2022 sinken. Das Haushaltsdefizit dürfte im laufenden Jahr deutlich zurückgehen, denn mit der anziehenden Konjunktur dürften vor allem die Einnahmen der Sozialversicherungen beschleunigt expandieren, während die öffentlichen Ausgaben im Zusammenhang mit rückläufigen Kosten der Corona-Pandemie kaum steigen werden.
Kontakt: www.iwh-halle.de