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„Wir brauchen alle einen langen Atem“

Robert Brech, Holding-Geschäftsführer Kaut-Bullinger-Gruppe in Taufkirchen
Robert Brech, Holding-Geschäftsführer Kaut-Bullinger-Gruppe in Taufkirchen

Was bedeutet der Ausbruch der Corona-Pandemie mit all ihren Folgen für das öffentliche Leben für Ihr Tagesgeschäft als Dienstleister fürs Büro? Vor welchen Herausforderungen stehen Sie?
Die aktuelle Situation stellt eine massive Beeinflussung der Geschäftstätigkeit dar. Die gesetzlichen Regelungen und deren Auswirkungen scheinen für Außenstehende auf den ersten Blick lediglich den Einzelhandel zu betreffen. Durch die Schließungen sämtlicher Filialen sind die Einnahmen aus diesem Geschäftsbereich massiv eingebrochen. Neben dem B2C-Segment hat die Pandemie jedoch auch erhebliche Auswirkungen auf das B2B-Geschäft. Durch die eigene massive, jedoch auch bei Kunden verbreitete Kurzarbeit und die Verlagerung ins Home-Office ergeben sich auch Verschiebungen in Hinblick auf geplante Investitionen und Art der nachgefragten Artikel. Gleichzeitig gilt es auch die eigene Mitarbeiter-Produktivität im Auge zu behalten. Durch geeignete Schulungen gilt es, diese sicherzustellen. Denn viele Kolleginnen und Kollegen werden plötzlich mit dieser anspruchsvollen Form der Selbstorganisation konfrontiert. Wir arbeiten an einem Schulungsprogramm, um das künftig optimal zu gestalten. Die Diskussion der Bundesregierung bezüglich eines Rechts auf Home-Office dagegen beurteile ich als nicht völlig durchdacht. Es ist eine zukunftsgerechte Form der Arbeitsplatzgestaltung, unter der Voraussetzung, dass die Mitarbeiter vorbereitet und geschult werden, um die Mitarbeiter-Produktivität zu halten.

Zudem hat sich auch das Verhalten am Markt drastisch verändert: so hatte sich beispielsweise die Zahl der Retouren deutlich gesteigert, doch inzwischen können wir langsam eine Verbesserung dieses Vorganges bestätigen. Warum richten wir unseren Blick nicht nach Asien, das mit drei Monaten Vorsprung reale Erfahrungen mit der Pandemie besitzt? Nach 14 Tagen Öffnung der ersten Shopping Mall lag der Umsatz dort im stationären Einzelhandel bei 35 Prozent der Vor-Corona-Zeit. Nach weiteren zehn Tagen ist dieser Umsatz sogar dann wieder um fünf Prozent auf 30 Prozent gesunken. Zudem wurden hauptsächlich Artikel des täglichen Bedarfs, Hygieneartikel und Lebensmittel nachgefragt. Wieso nutzen wir diese Erkenntnisse nicht? Fest steht: wir brauchen alle einen langen Atem bis wieder eine Normalsituation erreicht ist. Abzuwarten ist auch, ob die Maßnahmen der Politik greifen und wer tatsächlich in welchem Maße von Fördergeldern profitieren darf. Kann sich auch der Mittelstand Hoffnung auf staatliche Unterstützung machen oder werden wieder die Big Player profitieren und eventuell sogar als Gewinner aus dieser Krise hervorgehen? Sieht man sich um bei Karstadt Kaufhof oder auch bei der Lufthansa, so nutzen diese die Krise, um lang überfällige Entscheidungen zu realisieren. Aktuell verfolgen wir die Marschroute: wir können und müssen uns selbst helfen. Wir sehen auch Chancen in dieser Situation und sind uns bewusst, dass wir schneller, kreativer und innovativer agieren können als mancher Großkonzern.

Vor welchen Herausforderungen stehen Ihre Kunden und wie können Sie diese unterstützen, ihr Tagesgeschäft aufrecht zu erhalten? Stichwort: Verschiebung in Richtung Home-Office etc. Welche Themen werden dabei verstärkt nachgefragt?
Die größte Herausforderung für unsere Kunden und natürlich für uns selbst ist die bis heute immer noch anhaltende Ungewissheit. Es ist schwer vorauszusagen, wie lange und in welcher Form die gesetzlichen Regelungen aufrechterhalten werden und welche Auswirkungen die Pandemie auf die Weltwirtschaft im Detail haben wird. Diese Ungewissheit führt zu Unsicherheit – der größte Feind für die gesamte Branche. Investitionen werden zurückgestellt und auch bestehende Kooperationen werden hinterfragt. Wir stehen in engstem Kontakt mit unseren Kunden und unterstützen diese massiv mit all uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Und denken und arbeiten bereits heute intensiv an der Post-Corona-Zeit. Die Pandemie führt zu einer Veränderung des Umgangs mit- und untereinander: geschultes und begleitetes Home-Office, Home-Schooling oder auch Web-Meetings im privaten Kreis werden sich auch über die Krise hinaus etablieren. In diesen Bereichen hat Deutschland, im Vergleich zu anderen Ländern, noch einen enormen Nachholbedarf. Diesen Bedarf kann unsere Branche stillen: durch bestehendes Sortiment, aber auch durch Aufnahme von Produkten und auch Dienstleistungen, die aktuell noch nicht zu unserer Kernkompetenz gehören. Neue zusätzliche Produkte werden einen zentralen Stellenwert bei uns einnehmen. Wir haben sieben neue Kern-Produkt-Warenobergruppen. Im Segmentbereich bedeutet dies unter anderem den gesamten Technikbereich, Accessoires, Kleinlederwaren, Arbeitsschutz, Hygiene sowie einige definierte Segmente beim Lebensmittel- und Reisebedarf.

Auch wenn sich die Situation dynamisch verändert: Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein? 
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie müssen zusammengefasst als eine Jahrhundertkatastrophe angesehen werden. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen sind die massivsten seit Gründung der Bundesrepublik. Das BIP verschmerzt den größten Einbruch seit Kriegsende und wir sind noch nicht am Ende der Pandemie angekommen. Bis zu jenem Tag, an dem ein Impfstoff flächendeckend zur Verfügung steht, addieren sich die wirtschaftlichen Folgen konsequent nach oben. Eine große Rolle bei der Gestaltung der Post-Corona-Zeit wird auch wieder die Politik spielen. Sie kann durch ihre Fördermaßnahmen maßgeblich beeinflussen, wer in welcher Form aus der Krise hervorgeht. Die politischen Verantwortlichen in Berlin haben alles in allem sicher unstreitig verantwortungsbewusst und rasch gehandelt. Das einzige Großversagen aus unserer Sicht ist die Tatsache, dass keine Firmen unterstützt werden, die aufgrund von Investitionen oder Restrukturierungen in den vergangenen drei Jahren keine Gewinne erwirtschaftet haben. Eine fatale Fehlentscheidung! Innovative, investitionsbereite sowie zukunftsorientierte Unternehmen werden dadurch benachteiligt. Kein sinnhaftes Vorgehen in Hinblick auf zukünftige Herausforderungen. Es bieten sich aber auch große Chancen für die Zeit nach dem Shutdown – man muss diese erkennen und nutzen. Und Kaut-Bullinger hat die Weichen dafür, unter anderem durch den Ausbau seiner digitalen Schlagkraft sowie der anderen hier schon genannten Maßnahmen bereits gestellt. (30.04.2020)

www.kaut-bullinger.de 

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